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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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schließlich bislang immer nur Gutes getan. Deshalb steckt hinter alldem auch etwas ganz anderes. Gebt es zu: Ihr habt etwas viel Teuflischeres im Sinn, um uns Königsberger zu vernichten.«
    »Ihr seid völlig von Sinnen! Lasst wenigstens meine Tochter aus dem Spiel. Was hätte sie dem Medicus antun sollen?«
    »Ach, das wisst Ihr noch gar nicht? Hat sie Euch das nicht erzählt?« Dorothea stemmte die Hände in die Hüften und schürzte die rotgeschminkten Lippen. »Gerettet will sie ihn haben – allerdings erst, nachdem sie zuvor dafür gesorgt hat, dass er überhaupt gerettet werden musste. Wie aus heiterem Himmel stand er plötzlich am Rande des Todes. Sie allein nur konnte ihm zu Hilfe eilen, weil nur sie allein wusste, was mit ihm geschah. Apotheker Heydrich hat es mir erzählt. Bei ihm in der Offizin ist das Ganze vorgefallen. Eben noch stand der Medicus kerngesund in seinem Laboratorium, auf einmal brach er schwer keuchend zusammen. Weder Heydrich noch der junge Kepler vermochten etwas zu tun. Bis Eure Tochter den Ärmsten auf wundersame Weise ins Leben zurückgeholt hat. Erzählt mir nicht, Ihr wüsstet nichts davon. Hinter all diesem Spuk steckt Ihr doch selbst, meine Liebe. Oder nenne ich Euch nicht besser die rote Magdalena – die berühmte Wundärztin aus dem kaiserlichen Tross? Wahrscheinlich habt Ihr bei meinem armen Mann Ähnliches im Sinn gehabt. Er aber hatte das Pech, dass es Euch nicht rechtzeitig gelungen ist, ihn doch wieder zu retten.«
    »Ihr seid wirklich krank«, murmelte Magdalena voller Mitleid und wandte sich Helmbrecht zu. Sie meinte, eine schwache Regung gespürt zu haben.
    Dorothea deutete das als Rückzug und fuhr mit neuem Schwung fort: »Was denkt Ihr, meine Herrschaften, wie lang wird es dauern, bis der gute Helmbrecht wieder bei Bewusstsein ist? Nicht lang, vermute ich. Und was wird er tun? Der verehrten Witwe Grohnert auf Knien für seine Rettung danken. So, wie der alte Kepler sich ihrer Tochter zu ewigem Dank verpflichtet fühlen muss, so wird auch der gute Helmbrecht fortan Wachs in ihren Händen sein, bereit, alles für seine selbstlose Retterin zu tun. Vertraut mir, meine lieben Zunftgenossen, ich weiß, aus welchem Holz die beiden Grohnert-Damen geschnitzt sind. Mein armer Martenn hat es geahnt und musste dafür sterben.«
    Laut schluchzte sie auf, schlug sich die Hand vor den Mund und stürzte zur Tür hinaus.
    Wie gelähmt blieben die Kaufleute zurück. Die Wirtin löste sich als Erste aus der Starre, trat dicht hinter Magdalena und legte ihr die Hand auf die Schultern. Dankbar ergriff Magdalena sie.
    »Wir müssen Geduld mit der Ärmsten haben. Es ist die gewaltige Trauer um ihren Gemahl, die Dorothea von innen heraus zerreißt.«
    »Macht Euch keine Sorgen, Verehrteste«, pflichtete die Wirtin bei. »Das ist offensichtlich.«
    Zustimmung heischend blickte sie in die Runde und gab sich erst zufrieden, als ein Kaufmann nach dem anderen ihr stumm zunickte. Dann klatschte sie in die Hände.
    »Auf, meine Herrschaften! Auf den Schreck hin schenkt Euch der Wirt auf Kosten des Hauses noch ein frisches Bier aus.«
    Sie schickte sich an, zu ihrem Gemahl zu gehen, um ihm zur Hand zu gehen. Als wäre das ein Zeichen, regte sich Helmbrecht abermals. Seine Augenlider flatterten, ein leiser Seufzer entschlüpfte seinem Mund. Ein Zittern durchlief den kräftigen Körper. Magdalena machte sich auf neuerliche Krämpfe gefasst. Stattdessen schlug Helmbrecht die Augen auf.
    Verwirrt blickte er erst zu ihr, dann zu Marietta und hob langsam den Kopf, um die Runde der Kaufleute zu erspähen. »Was ist?«, fragte er mit schwerer Zunge.
    »Ihr hattet wieder einen Anfall«, erklärte Magdalena leise. »Wie fühlt Ihr Euch?«
    »Danke, geht schon.« Mühsam richtete er sich ins Sitzen auf. »Ich glaube, ich habe schrecklichen Durst. Und dann muss ich dringend an die frische Luft.«
    Es gelang ihm ein schwaches Lächeln, bevor er sich auf die von zwei Männern dargebotenen Arme stützte und sich ächzend erhob. Die Wirtin brachte einen Becher verdünnten Weins. Gierig setzte er ihn an die Lippen und leerte ihn in einem Zug.
    »Ihr seht, meine Herrschaften, es ist wieder alles im Lot«, erklärte Magdalena. Sie zwinkerte Marietta kaum merklich zu. »Wir sollten das großzügige Angebot der Wirtsleute annehmen und auf den Schreck hin noch ein letztes Bier zusammen trinken. Täusche ich mich, oder hat die Uhr eben elf geschlagen? Gleich trifft der Postreiter am Grünen Tor ein. Höchste Zeit,

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