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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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zur Börse zu gehen und dort die neuesten Nachrichten zu hören.«
    »Für heute reichen mir die Nachrichten hier«, murmelte einer der beiden, die Helmbrecht aufgeholfen hatten, und griff sich einen der Bierkrüge, die der Wirt heranschleppte.
    »Ihr habt recht«, stimmte ihm der zweite zu und bediente sich ebenfalls. Kurz prostete er in die Runde, trank einen Schluck und erklärte dann beim Abwischen des Schaums: »Ist es nicht seltsam, dass es mit Helmbrecht genauso gekommen ist, wie die gute Witwe Gerke es vorhin prophezeit hat?«
    Abrupt drehten sich alle zu ihm um. Niemand wagte, dem zu widersprechen. Magdalena meinte, ersticken zu müssen. Die aufsteigende Wut schnürte ihr den Hals zu. Beschwichtigend drückte Marietta ihr die Hand.
    »Stimmt, es ist gekommen, wie die Witwe Gerke gesagt hat«, verkündete Magdalena und zwang sich zu einem betont fröhlichen Ton. »Helmbrecht ist binnen kürzester Zeit wieder bei Bewusstsein gewesen. Vielleicht sollte sich die verehrte Dorothea als Orakel versuchen. Nicht nur an der Börse wird man solcher Dienste bedürfen. Gerade auch drüben im Schloss, wo nach wie vor der Landtag tagt, ist man ihr dafür gewiss dankbar. Jetzt, da der Kurfürst den aufmüpfigen Roth aus der Stadt gebracht hat, weiß schließlich niemand so recht, wie es weitergehen soll: Geben wir Königsberger klein bei und stimmen den neuen Abgaben zu, oder bleiben wir standhaft und fordern Friedrich Wilhelm weiter heraus? Beides kostet Geld, beides erfordert fleißiges Handeln, um das Geld zu verdienen. Was denkt Ihr, meine Herrschaften: Wird uns die gute Witwe Gerke drüben in der Börse noch mehr dazu verraten?«
    Die Kaufleute lachten auf. Im Stillen beglückwünschte sich Magdalena, dass ihr die Schlagfertigkeit aus früheren Tagen gerade im richtigen Moment wieder zur Verfügung gestanden hatte.

    19
    D er Weg von der Altstädter Schmiedegasse zur Löbenichter Langgasse war bald zum täglichen Ritual geworden. Nach dem Besuch bei dem alten Kepler hatte Carlotta sich angewöhnt, Christoph in Caspar Pantzers Apotheke zu begleiten. An einem so strahlend schönen, wenn auch frostigen Novembertag wie diesem tat es gleich noch einmal so gut, eine Zeitlang gemeinsam unterwegs zu sein. Vor allem, weil Christoph zu ihrer Freude sehr darum bemüht war, sie wieder auf fröhliche Gedanken zu bringen.
    »Also, stell dir vor, wie der Professor vorn an seinem Tisch steht und den Toten aufschneiden will«, begann er, ein weiteres Erlebnis aus seiner Studienzeit zum Besten zu geben. »Schließlich sticht er mit dem Messer hinein, doch nichts passiert. Das Messer prallt ab. Es ist stumpf wie ein Besenstiel. Er probiert es noch einmal und noch einmal, immer mit demselben Ergebnis. Längst steht ihm der Schweiß auf der Stirn, die Hände zittern, er ist am Ende. Wir Studenten aber können uns nicht mehr halten vor Lachen.«
    Er schüttelte den Kopf, grinste allein bei der Erinnerung an die Szene. Carlotta indes verspürte Mitleid mit dem armen Professor.
    »Es ist wohl nicht gerade leicht, eine Vorlesung zu halten, noch dazu, wenn man den Studenten jeden Tag etwas Neues vorführen muss.«
    »Ach, Liebste, du bist viel zu gut für diese Welt!« Christoph legte ihr den Arm um die Schultern. »Schließlich macht ein Professor das doch seit Jahren und sollte wissen, wie wichtig es ist, zuvor die Schärfe der Messerklingen zu prüfen.«
    Über dem Reden hatten sie wieder einmal viel zu schnell ihr Ziel erreicht. Artig öffnete Christoph die Tür zur Offizin und ließ ihr mit einer tiefen Verbeugung den Vortritt. In der düsteren Apotheke schlug ihr sogleich der vertraute Geruch nach Kräutern und Gewürzen entgegen, vermischt mit dem Duft einer kräftigen Hühnerbrühe, die die Wirtschafterin nebenan in der Küche kochte.
    »Oh, ich sehe schon, unser lieber Freund steht bestimmt schon wieder am Mikroskop und betrachtet die kleinen Tierchen. Lass uns schnell nach hinten gehen und das Schlimmste verhindern. Schließlich kann niemand wissen, was er uns sonst noch in die Wundersalbe deiner Mutter mischt.«
    Noch bevor das Bimmeln der Türglocke verklungen war, eilte Christoph bereits durch das schmale Lager ins Laboratorium. Carlotta folgte langsam nach. Pantzer nutzte das gute Vormittagslicht aus und hatte seine Arbeitsutensilien auf dem langen Tisch vor der Fensterfront ausgebreitet. Kaum sah er von seinen Schalen auf, um sie willkommen zu heißen.
    »Es sieht gut aus, meine Liebe«, verkündete er. »Mir fehlen nicht mehr

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