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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Kaufmann links von ihr, sah ihn schweigend an, griff bereits den neben ihm Stehenden am Ärmel und rüttelte daran. »Los, meine Herren! Worauf wartet Ihr? Verehrte Wirtin, was ist mit Euch? Eurem Gemahl? Warum steht Ihr hier alle wie festgewachsen?«
    Erschöpft legte sie sich die Hand auf die Stirn und sank auf einen Stuhl. »Oder meint Ihr«, wisperte sie kaum hörbar, »es ist ein Zufall, die verehrte Witwe Grohnert entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit just in dem Augenblick im Grünen Baum anzutreffen, da unser guter Helmbrecht wie vom Teufel besessen vom Stuhl fällt?«
    »Ist es denn ein Zufall, auch Euch ausgerechnet jetzt hier anzutreffen, meine Liebe?«, meldete sich Magdalena von ihrem Platz unten auf dem Boden neben dem bewusstlosen Helmbrecht zu Wort. »Ihr könnt wohl schwerlich bestreiten, in letzter Zeit ebenfalls immer genau dann zur Stelle zu sein, wenn etwas Seltsames geschieht und Ihr mich unlauterer Methoden bezichtigen könnt. Täusche ich mich, oder verfügt Ihr über besondere Ahnungen?«
    »Also, das ist doch, das nenn ich doch …«, stammelte Dorothea.
    Eine Zeitlang zumindest war es Magdalena gelungen, sie aus der Fassung zu bringen. »Helmbrecht liegt weder im Sterben, noch ist er vom Teufel besessen«, nutzte sie die Gelegenheit, den anderen Gästen das unheimliche Geschehen zu erklären. »Wie schon gesagt, er leidet an der Fallsucht. Was das bedeutet, dürfte allen klar sein.«
    »Sie hat recht«, erklärte die Wirtin nickend. »Ein solcher Anfall trifft ihn nicht zum ersten Mal in unserem Haus. Ich bin froh, dass die gute Witwe Grohnert ihm gleich zu Hilfe geeilt ist. Hier!« Sie rückte Dorothea auf dem gedeckten Tisch einen frischen Becher zurecht, goss Wein aus einem Krug ein und hielt ihn ihr dicht vor den Mund. »Trinkt das! Das wird Euch guttun. Wir alle wissen, wie schwer Ihr am Tod Eures Gatten tragt. Einen weiteren Mann hilflos leiden zu sehen, wird Euch gerade wohl besonders zu Herzen gehen.«
    Aufmunternd tätschelte sie ihr die Schulter, doch Dorothea schüttelte sie sogleich wieder ab. Die grünen Augen funkelten böse, als sie zu Magdalena hinunterschaute. Magdalena verkniff sich eine weitere Bemerkung und wandte sich wieder ihrem Patienten zu. Flink griff sie in die Falten ihres schwarzen Kleides und zog eine kleine braune Phiole heraus.
    »Die Tropfen!«, entfuhr es Marietta erleichtert. »Wie gut, dass Ihr sie bei Euch tragt.«
    Die bewährte Bernsteinessenz in Händen, verschwendete Magdalena nicht den geringsten Gedanken daran, wie der Anblick der Tinktur auf Dorothea wirken mochte. Immerhin hatte sie letztens in der Börse vermutet, die hätten ihren Gemahl vergiftet. Noch saß die Witwe auf dem Stuhl und beobachtete sie schweigend.
    »Gebt mir einen Becher frischen, kalten Wassers«, bat Magdalena die Wirtin. »Die Tropfen werden Helmbrecht guttun. Bald werden wir ihn in seine Kammer bringen können. In seinem Gepäck muss sich Sagapenum befinden. Sobald er wieder bei Sinnen ist, kann er das mit einem Becher Wein vermischt trinken. Doch zuerst gebe ich ihm hiervon.«
    Sie entkorkte die Phiole und träufelte ein Dutzend Tropfen in das Wasser, das die Wirtin ihr gereicht hatte. Auch ohne aufzusehen, spürte Magdalena an der gespannten Stille ringsum, dass alle Augen auf sie gerichtet waren. Aufmerksam verfolgten die Kaufleute, was sie mit dem Leipziger Zunftgenossen tat. Bedächtig beugte sie sich über ihn, barg seinen Kopf in der Armbeuge und setzte den Becher an seinen Mund.
    »Nein!«, schrie Dorothea und schlug ihr den Becher aus der Hand. Das Wasser spritzte durch die Luft, der irdene Becher schlug auf dem harten Holzboden auf und zerbrach in tausend Stücke. Marietta wollte Dorothea festhalten. Die aber wehrte sie entschieden mit den Händen ab. Starr verfolgten die Wirtin und die Gäste das Geschehen. Dorothea trat rückwärts einige Schritte von dem am Boden liegenden Helmbrecht weg.
    »Ich habe Euch gewarnt«, presste sie zwischen den Lippen hervor. »Auch ihn will sie umbringen. Wenn es ihr heute nicht gelingt, versucht sie es morgen oder übermorgen. Denkt an meine Worte!«
    »Warum sollte ich Helmbrecht umbringen wollen? Seit Jahren tut er mir so viel Gutes …« Weiter kam Magdalena nicht. Schon fiel ihr Dorothea böse auflachend ins Wort: »Ja, natürlich! Jetzt verstehe ich. Ihr wollt ihn wirklich nicht umbringen. Genauso wenig, wie Eure kleine neunmalkluge Tochter letzte Woche den alten Kepler hat umbringen wollen. Die beiden haben Euch

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