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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Abschied bevor. Genau das ist es, wovor ich mich zeit meines Lebens fürchte. Bislang ist es mir nie vergönnt gewesen, mit dem Mann meines Herzens auf Dauer mein Glück zu leben. Anscheinend liebe ich stets die falschen Männer. So ist denn das stete Zurückgelassenwerden mein Los.«
    Entschlossen wischte sie sich über die Wangen und setzte ein schüchternes Lächeln auf, als sie den Kopf wieder hob.
    »Trotzdem«, fuhr sie fort, »ist es besser, den Falschen zu lieben als gar nicht zu lieben. Irgendwann wirst auch du zu mir zurückkehren. Und dann ist es an der Zeit, für immer zusammenzubleiben.«
    Statt einer wortreichen Erwiderung schloss er sie einfach ein weiteres Mal fest in die Arme.
    19
    L ange schon, bevor der Wagen im Kneiphof eintreffen sollte, lief Carlotta immer wieder zum Fenster und sah hinaus. Ein winterliches Schneegestöber hüllte das Geschehen auf der Langgasse in einen schier undurchdringlichen Schleier. Gewiss würde Tromnaus Fuhrmann unter diesen Bedingungen die Reise verzögern, wie er das bereits auf ihrer gemeinsamen Fahrt Anfang des Monats getan hatte. Bis Weihnachten blieben nur wenige Tage. Es wäre schade, wenn die Reisenden nicht rechtzeitig zum Christfest am Pregel eintreffen würden. Carlotta wandte sich zurück ins Kontor.
    Die drei Schreiber Egloff, Breysig und Steutner beugten sich tief über die Pulte und kratzten einträchtig mit ihren Federn über das Papier. Für einen kurzen Moment unterbrach Steutner sein Tun und sah zu ihr auf. Das Scharren seiner Stiefel über den Dielenboden stoppte. Sie nickte ihm zu. Er verdrehte die Augen, vollführte mit dem Kopf seltsame Bewegungen, räusperte sich und zeigte schließlich wie zufällig mit der Feder zum vorderen der drei Fenster. Erst jetzt begriff sie, dass er sie auf etwas hinweisen wollte.
    Langsam schritt sie nach vorn, machte wie zufällig auf dem Absatz kehrte und blickte geradewegs zum Fenster. Gerade noch konnte sie erkennen, wie draußen vor der Scheibe Farenheid, Boye und Gellert ihre Köpfe hinter die Mauer des Beischlags duckten. Zu spät – sie hatte sie erkannt.
    »Was soll das?«, rief sie. »Wieso starren die so schamlos in unser Kontor?« Sie hastete zum Fenster und riss es auf. »Was fällt Euch ein? Belauert Ihr uns am helllichten Tag? Habt wenigstens den Mut und kommt herein, mir Rede und Antwort über Euer seltsames Verhalten zu stehen.«
    Sie wartete, bis die drei ihrer Aufforderung nachkamen und zur Haustür eilten. Erst dann schloss sie das Fenster und ging Richtung Diele, um die Kaufmannsgenossen zu empfangen.
    »Soll ich Euch begleiten?«, fragte Egloff. Auch Steutner ließ durch ein Hüsteln seine Bereitschaft erkennen mitzukommen. Lediglich Breysig steckte die Nase noch tiefer als zuvor in seine Unterlagen.
    »Danke«, winkte Carlotta ab und lächelte. »Mit diesen drei Herren komme ich gut allein zurecht. Darauf freue ich mich seit Wochen.«
    Gut gelaunt schlüpfte sie hinaus. Milla hatte den drei Besuchern bereits die schneenassen Umhänge und Hüte abgenommen. Lina rückte ihnen Stühle am Tisch zurecht, und Hedwig huschte mit dem kleinen Karl auf dem Arm die Treppe hinauf, um die Herren gar nicht erst begrüßen zu müssen.
    »Vermutlich wollt Ihr wissen, wann meine Mutter hier eintrifft«, verzichtete Carlotta auf eine umständliche Begrüßung.
    »Der verehrte Hartung hat uns eben in der Börse davon in Kenntnis gesetzt, dass sie mit Tromnau und Hohoff für heute Nachmittag erwartet wird«, ergriff der stämmige Farenheid das Wort und strich sich über den grauen Bart. »Da wollen wir ihr im Namen der gesamten Kneiphofer Kaufmannschaft natürlich gleich unsere Aufwartung machen.«
    Seine dröhnende Stimme erfüllte die Diele. Oben im ersten Stock antwortete Linas Sohn mit einem Gluckser, worauf Hedwig etwas Beruhigendes krächzte. Das Schlagen einer Tür wies darauf hin, dass sie in der Wohnstube verschwunden war.
    »Deshalb sind wir so schnell wie möglich hierhergeeilt«, ergänzte Gellert. »Offenbar sind wir noch zu früh.«
    Die knotigen Finger zwirbelten den roten Bart. Im Schein der Kandelaber erkannte Carlotta an seinem Gesicht, wie sehr ihn die Gicht quälte.
    »Braucht Ihr etwas gegen die Schmerzen? Ich kann Euch rasch ein wirksames Pflaster aus Bleiweiß, Baumöl, Mennige und venezianischen Seifen bereiten. Zeigt mir Eure Hände, ich lege das Pflaster gleich an. Für ein paar Stunden habt Ihr dann wieder Ruhe vor dem Podagra.«
    Sie trat näher zu ihm hin, um die Finger genauer

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