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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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geheimnisvollen Tiefen versinken wollte.
    »Es ist einem zu vertraut und selbstverständlich.«
    Beharrlich kämpfte sie gegen die Verlockung an, sich einfach in seine Arme sinken zu lassen.
    »Ich hoffe, Euch wird der Umgang mit dem kostbaren Bernstein niemals zu selbstverständlich. Es wäre schade um das Wunder, das jeder einzelne in sich trägt.«
    Unter seinen letzten Worten war seine sonst so volle Stimme zu einem heiseren Krächzen geworden. Umständlich begann er, in seiner Rocktasche zu suchen. Behutsam zog er ein kleines Kästchen hervor und reichte es ihr. Erstaunt sah sie das Zittern seiner Hände. Es rührte sie.
    »Ein kleines Geschenk für Euch, meine Liebe. Mit meinen Worten wollte ich es etwas galanter anbringen, das aber scheint mir wohl gründlich misslungen. Verzeiht!«
    »Ein Geschenk? Für mich? Ihr verwöhnt mich, mein Bester!«
    Sie nahm das Kästchen, ließ ihre Hände dabei auf den seinen ruhen, genoss die Wärme, die er ausstrahlte.
    »Ihr habt es nicht anders verdient«, erwiderte er leise und rückte noch ein wenig näher an sie heran.
    Ihr Herz klopfte heftig. Heiß spürte sie seinen Atem im Gesicht, sog seinen herben Duft ein. Sie schloss die Augen, spürte seine Lippen auf den ihren, öffnete sie willig. Zum ersten Mal, seit sie sich kannten, gab sie sich einem Kuss mit ihm hin. Bald schloss Helmbrecht sie in die Arme, drückte sie fest gegen seine Brust. Beglückt ließ sie es geschehen.
    Eine halbe Ewigkeit später erst ließen sie wieder voneinander, hielten die Blicke allerdings weiter ineinander versenkt.
    »Wollt Ihr das Kästchen nicht öffnen?«, fragte er schließlich.
    Unfähig, einen Ton herauszubringen, nickte sie nur stumm und hob den Deckel an. Ein Bernstein lag darin, eingefasst in Silber, das zu einem zarten Ring geschmiedet war.
    »Nach all den Jahren hielt ich es an der Zeit, Verehrteste«, begann er, »Euch noch einmal an Eure Antwort von ehedem zu erinnern. Im August 1658 habe ich Euch gefragt, ob ich hoffen darf. Damals gabt Ihr zurück, die Hoffnung erlösche nie. Doch irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem man sich noch einmal mit dem zart lodernden Funken beschäftigen muss. Vielleicht ist es möglich, ihn stärker anzufachen. Oder man sollte ihm die Gnade erweisen, ein für alle Mal auszubrennen. Nachdem der Bernstein, den ich Euch seinerzeit überreicht habe, ein wenig zu groß und schwer wog, habe ich diesen hier ausgewählt. Er mag Euch direkter an meine Frage gemahnen. Zwar hält er kein Insekt in sich gefangen, doch wenn Ihr ihn genauer anschaut«, behutsam nahm er ihn aus dem samtigen Polster und hielt ihn ihr vor Augen, »dann erkennt Ihr die unendliche Tiefe, die er in sich birgt. Seid Euch sicher, meine Teuerste: So tief, wie dieser Stein, so tief ist meine Liebe zu Euch. Vielleicht wagt Ihr das Abenteuer und lasst Euch einfach hineinfallen. Ich verspreche Euch, ich werde Euch auffangen und auf Händen über alle Abgründe des Lebens hinwegtragen.«
    Sanft steckte er ihr den Ring an den rechten Finger und umschloss ihre Hand abermals mit der seinen. Wieder schauten sie einander an, versanken ineinander.
    »Ihr habt recht, mich an jene Zeit vor vier Jahren zu erinnern. Vor Eurem Eintreten war ich in Gedanken selbst nicht weit entfernt. So, wie es aussieht, ist heute der richtige Tag, mit den alten Zeiten abzuschließen. Ich verrate Euch noch ein Geheimnis.« Kurz suchte sie nach den geeigneten Worten, lächelte dazu. »Unser lieber Freund Hartung hat diese Schätze hier nicht eigenhändig zusammengetragen. Ausgerechnet mein verstorbener Gemahl hat ihm einen Großteil der Absonderlichkeiten beschafft.«
    »Ein seltsamer Zufall«, pflichtete er bei. »Oder aber vom Schicksal so gewollt. Ausgerechnet im Schatten der von Eurem Gemahl zusammengetragenen Altertümer finden wir beide uns zusammen, um eine gemeinsame Zukunft zu planen.«
    »Genauso empfinde ich es auch.«
    Sie spürte, wie sich ihre Wangen röteten, als wäre sie keine reife Frau von bald achtunddreißig Jahren, sondern ein unschuldiges junges Ding.
    »Das heißt doch nichts anderes, als dass wir die vergangenen Zeiten endlich zu diesen verstaubten Kuriositäten in die Schaukästen räumen dürfen. Wenn uns danach ist, können wir sie hervorholen und uns an ihrem Anblick erfreuen. Gemeinhin aber sollten wir uns umwenden und nach vorn schauen.«
    Sie umfasste den Bernstein an ihrem Finger und drückte ihn gegen ihre Brust. Ihre grünen Augen strahlten.
    »Heißt das«, krächzte er

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