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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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bestätigten ihre Vermutung. Sie tauschten einvernehmliche Blicke. Mit einem Satz preschte Christoph vor und strich das dornige Gestrüpp beiseite, um Carlotta den Durchgang frei zu machen. In wenigen Schritten standen sie bei dem Verletzten. Verkrümmt lag er da und presste sich eine Hand auf den Leib. Zwischen den Fingern quoll Blut heraus. Die zweite Hand ragte verdreht unter dem Körper hervor. Das Gesicht des Mannes war von Dornen zerkratzt, auch Rock und Hose waren an mehreren Stellen aufgerissen. Trotz der Schmerzen, die er offensichtlich litt, konnte sich Carlotta ein schadenfrohes Lächeln nicht verkneifen: Für manche Torheit folgte die Strafe viel schneller, als es dem Tolpatsch lieb sein konnte. Nicht mehr vorlaut wie noch letztens auf dem Kneiphofer Domplatz, sondern kläglich jammernd, musste sich Caspar Pantzer, der junge Apotheker aus dem Löbenicht, von ihnen helfen lassen.
    »Das geschieht dir recht«, knurrte Christoph und kniete sich neben ihm nieder, um ihn vorsichtig umzudrehen. »Vorsicht!«, mahnte Carlotta und ließ sich ebenfalls auf die Knie sinken. »Die offene Wunde dort am Bauch sieht nicht gut aus. Davon abgesehen wird er sich einige Knochen verrenkt haben. Wir müssen aufpassen, wo und wie wir ihn anfassen, sonst richten wir noch schlimmeren Schaden an.« Wie zur Bestätigung ihrer Worte schrie Pantzer auf, dabei hatte Christoph lediglich nach seiner Hand gefasst.
    »Du hast recht. Jeder unbedachte Griff schadet nur.« Er musterte den Apotheker, der verschämt das zerschundene Gesicht von ihnen abwandte. Christoph verzichtete auf eine weitere Bemerkung und tastete mit der Hand nach etwas, zog es schließlich unter neuerlichem Aufstöhnen Pantzers unter dessen Rücken hervor: eine rostige Heugabel. Damit brach sich nun doch seine Empörung Bahn.
    »Die hätte dich fast aufgespießt! Das hast du nun davon, uns heimlich zur Laube nachzuschleichen. Wie kannst du nur so dämlich sein und auf diese klapprige Leiter steigen? Schließlich sieht ein Blinder mit einem Blick aus seinen leeren Augen, wie wenig das morsche Holz trägt. Was will ein schwerer Kerl wie du auf solch einem morschen Ding? Hoffentlich bist du damit ein für alle Mal von deiner schamlosen Neugier geheilt.«
    Er berührte ihn an der Schulter, was Pantzer ein weiteres gequältes Aufjaulen entlockte. Mahnend sah Carlotta ihn an. Ihre Hand umspannte den Bernstein auf ihrer Brust. Ein Blick auf den Verunglückten hatte ihr genügt, zu erfassen, wie es um ihn stand.
    »Lass ihn besser so liegen und hol rasch Hilfe«, bat sie Christoph. »Wir brauchen zwei kräftige Burschen und einen Karren, um ihn von hier in sein Haus im Löbenicht zu bringen. Dort können wir die Knochen wieder einrenken und die Wunden mit einem rasch wirkenden Pflaster behandeln. Er hat sich die Heugabel knapp unter dem Rippenbogen in den Leib gespießt. Zum Glück ging das nicht tief. Dennoch muss die Wunde sauber ausgetupft und anschließend genäht werden. Wollen wir hoffen, dass es damit getan ist. Das Eisen an der Heugabel ist rostig. Das kann im schlimmsten Fall zu Wundbrand führen. Ich weiß ein probates Mittel, das zu verhindern.«
    Mit aufgerissenen Augen und offenem Mund lauschte Christoph ihren Worten. Schon fürchtete sie, ihn durch ihre entschiedenen Anordnungen verärgert zu haben, da brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Sieh an, meine kleine gescheite Wundärztin. Ihr genügt ein Blick, zu wissen, was alles zu tun ist. Schließlich hätte ich mir meine viel zu langen Studienjahre in der Fremde sparen und stattdessen gleich bei dir in die Lehre gehen sollen.«
    Auch wenn er sich um einen scherzenden Ton bemühte, spürte sie, wie sehr es in ihm arbeitete. Sie wollte ihn besänftigen, da meldete sich Pantzer überraschend klar zu Wort: »Ich pfeife auf deine studierte Gelehrsamkeit, Kepler. Tu endlich, was die Kleine sagt. Vom Reden allein ist noch keiner gesund geworden.«
    Kaum war der letzte Satz heraus, keuchte er abermals vor Schmerzen auf. Tröstend legte Carlotta ihm die flache Hand auf die Stirn und flüsterte ihm einige beruhigende Worte zu. Gleich entspannte sich sein Körper, und sein Wimmern versiegte.
    »Schon gut, du hast mich überzeugt.« Seinen Worten zum Trotz war Christoph der Unmut inzwischen deutlich anzusehen. Verdrossen richtete er sich auf, klopfte Staub und Schmutz aus dem eleganten Rock und rückte den Spitzhut zurecht. »Schließlich kann die beste Fakultät das besondere Gespür einer geborenen Wundärztin

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