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Das Bernsteinerbe

Das Bernsteinerbe

Titel: Das Bernsteinerbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ihr auf. »Scheinen echte Wundermittel zu sein, die du uns ins Haus bringst. Wir müssen nur aufpassen, ob wir sie uns lange leisten können. Du als Magd bist eine echte Herausforderung für die Haushaltskasse! Bei Carlotta zeigen deine Mittelchen leider schon erste Wirkung.« Arglistig schnupperte sie in den aufsteigenden Dunst über dem Waschbottich, als vermutete sie sogar darin puren Zitronensaft.
    Lina zwang sich, ruhig zu bleiben. Nichts sagen war die beste Antwort. Betont langsam stellte sie den schweren Kupferkessel zurück auf den gemauerten Herd, wischte sich die störrischen Strähnen des blonden Haares aus der Stirn und stemmte die feuchten Hände in die Hüften. Ihre grünblauen Augen starrten auf die Berge klebriger Teller, Tassen und Schüsseln neben der Esse. Geduldig harrte das Irdenzeug der baldigen Säuberung. Der flackernde Schein der Talglichter, die rings um den Trog aufgereiht standen, ließ den Stapel noch bedrohlicher anwachsen.
    Als wollte sie Hedwig nacheifern, schnüffelte Lina nun ebenfalls in die Luft. Der faulige Geruch des verbrannten Talgs wurde allmählich unangenehm. Dazu mochte auch die unerträgliche Schwüle beitragen, die trotz der späten Abendstunde noch in der Küche hing. Wie so oft in den Königsberger Kaufmannshäusern lag diese gleich im Eingangsbereich, an der rechten Seitenwand der Diele. Es fehlte an einer eigenen Fensteröffnung, die frische Luft hereinließ. Dafür heizten der Herd und der riesige Kamin einen Großteil des Hauses mit, bliesen aber auch den kaltgewordenen Bratendunst sowie den Geruch nach abgestandenem Fett und Öl durch sämtliche Geschosse. Abermals atmete Lina tief durch. Es half nichts, es gab kein Entrinnen, weder vor Hedwig noch vor der Hitze oder gar dem lästigen Abwasch. Matt pustete sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Warm hier, nicht?«
    »Kein Wunder«, murmelte die Köchin, »heute ist immerhin der sechsundzwanzigste Oktober. So ungewohnt uns das Wetter scheinen mag, neu ist es nicht. Wärme an Gilbhart bedeutet seit alters einen kalten Januar. Da können wir uns im neuen Jahr auf einiges gefasst machen.«
    Lina zuckte mit den Schultern. Hedwigs Wettervorhersagen kümmerten sie nicht. Entschlossen tauchte sie die Arme bis zu den Ellbogen in das heiße Wasser. Wieder wallten Wasser und Geschirr auf, klirrten gegen die blecherne Wand des Bottichs. Dieses Mal spürte Lina zunächst nichts von dem heißen Wasser. Dann aber stellten sich ihr die Härchen an den Unterarmen auf. Seltsamerweise meinte sie zu frösteln, trotz des rundherum dicht aufsteigenden Wasserdampfes und der Schweißperlen auf der Stirn. Langsam erholten sich ihre Hände von dem Schreck. Sie tastete nach einem Teller und begann, die Soßenkruste abzukratzen.
    »Hiermit geht es besser«, meldete sich die Köchin wieder ungebeten zu Wort, griff sich die Bürste vom Bord und warf sie mit Wucht ins Wasser. Schulterhoch spritzte es auf. »Denk daran, unsere Patronin besitzt zwar einen gutgehenden Bernsteinhandel, noch aber wird auch bei uns vor allem mit Wasser gekocht. Carlotta wird das früher begreifen, als dir lieb ist. Sie ist ein kluges Mädchen. Gute Nacht.«
    Brüsk schob sie sich neben Lina, reckte sich zum Wandbord und griff sich eines der Talglichter. Schützend wölbte sie den Handteller darum und wollte sich schon wegdrehen, da fiel ihr noch etwas ein. »Denk an das Herdfeuer. Schau, wie kümmerlich es schon geworden ist. Du weißt hoffentlich, was es heißt, das Feuer morgen früh neu zu schüren. Die Gnädige wird sich nicht darum kümmern, wie ihre Milch pünktlich heiß gemacht wird. Aber sie will sie morgens gleich nach dem Aufstehen vor sich haben.«
    Ohne ein Wort zog Lina die Arme aus dem Wasser und klopfte die Hände an der Wand des Trogs ab. Tiefrot glühte die verbrühte Haut. Trotzdem gelang es ihr, sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen. Beiläufig trocknete sie die restlichen Tropfen am Rock ab und holte den Salztopf vom Regal. Immer noch schweigend, streute sie eine Handvoll der groben, weißen Körner in das fast erloschene Feuer. Sofort entfachte sich wieder eine ordentlich große Flamme. Mit einer kleinen Schaufel schob sie die Asche näher heran und schürte die Glut, bis das Feuer stetiger brannte. »Zufrieden?«, war das Einzige, was sie sich zu sagen erlaubte. Ohne Hedwig anzusehen, setzte sie danach den Abwasch fort.
    Auch die Köchin schnaubte nur noch einmal kräftig durch Mund und Nase und schlurfte dann geräuschvoll auf ihren

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