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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dort kauernden Zwerg Lewon und brüllte dann zu den wartenden Lakaien hinüber.
    »Tokajer!«
    Darauf warf er die Tür wieder zu und stürmte ins Zimmer. Er zeigte auf Peters Stock und stakte mit seinem Buchenstock auf die Dielen.
    »Mich interessiert Ihr Stock«, sagte Friedrich Wilhelm. »Ein schönes Stück.«
    »Ohne ihn wäre ich nur halb.« Peter schwang den Knüppel durch die Luft. Ein Windhauch traf den König, und ein Zischen flog um seine Ohren. »Gutes spanisches Rohr. Und hier der Knauf aus Elfenbein, habe ich selbst geschnitzt. Meine ›Dubina‹ nenne ich den Stock. Der Mensch ist ein merkwürdiges Wesen. Man muß ihn züchtigen, sonst wird er faul und dumm! Sie haben meinen Mohren Hannibal gesehen? Ich liebe ihn. Als Elfjähriger kam er zu mir, mein Gesandter Tolstoj hatte ihn in Konstantinopel gekauft und mir geschenkt. Ich habe ihn taufen und erziehen lassen, er hat auch das Drechslerhandwerk erlernt, schläft in meiner Werkstatt, begleitet mich überall hin … und wöchentlich einmal verprügele ich ihn mit meiner Dubina. Nein, nichts hat er angestellt … ich verprügele ihn aus Liebe. Eine Auszeichnung ist es für ihn.« Er griff wieder zu seinem Bernsteindöschen, nahm eine Fingerspitze voll Pulver und betrachtete darauf die geschnitzten Steine. »Der Sonnenstein«, sagte er nachdenklich. »Das Gold der Ostsee …«
    »Das Gold Preußens, Zar Peter.« Das klang stolz und endgültig. Eine Diskussion über dieses Thema wäre sinnlos gewesen.
    »Ihr Vater zeigte mir bei meinem letzten Besuch hier im Schloß ein Zimmer ganz aus Bernstein.«
    »In der dritten Etage, ein Eckzimmer. Unser Bernsteinkabinett.« Friedrich Wilhelm nickte. »Dafür, für solchen Firlefanz, hatte er Geld übrig. Elf Jahre haben die Bernsteinmeister daran gearbeitet. Elf Jahre Geld für einen Prunk, ohne den man leben kann. 1712 hat es mein Vater hier im Stadtschloß einbauen lassen.«
    »Und in diesem Jahr habe ich es gesehen. Auf dem Weg zu meinen Truppen in Pommern war ich …«
    »Ich erinnere mich gut. Ein großes Fest gab es. Die Mätresse meines Vaters, die grünäugige und rothaarige Gräfin Colbe von Wartenberg, ich habe sie nur die ›große Hur‹ genannt, gefiel auch Ihnen. Ihr Dekolleté war so tief, daß man die Brustmonde sehen konnte. Stimmt's? Diese Wartenberg. War ein Bürgermädchen, eine Mamsell Kathi Rickers, ehe mein Vater sie mit dem Trottel Wartenberg verheiratete. Wissen Sie, was sie getan hat? Zu mir ist sie gekommen, hat mit Brüsten und Hintern gewackelt und mir den Antrag gemacht, mit ihr zu Bette zu gehen. Und dabei war ich erst vierzehn Jahre alt.«
    Der Zar lachte laut, hieb mit seiner Dubina auf den Tisch und bog sich in den Hüften. »Vierzehn Jahre und flüchtet vor einem heißen Weib! Mein lieber Friedrich Wilhelm, mit vierzehn hatte ich es schon aufgegeben, meine Geliebten zu zählen! Hofdamen, Putzmädchen, Bauernmägde, Ministerfrauen, Fürstinnen und Melkerinnen … vor mir gab es kein Entkommen. Außerdem wollten sie es alle. Sie haben viel verpaßt, lieber Vetter.«
    »Ich bin glücklich mit meinem Fiekchen«, sagte der König verhalten und wechselte das Thema. »Das Bernsteinzimmer hat Ihnen gefallen?«
    »Es ist ein einmaliges Kunstwerk! Ein ganzes Zimmer aus den Tränen der Sonne, wie die Slawen sagen. Gibt es etwas Schöneres? Ich habe noch nichts gesehen, was mit diesem Zimmer konkurrieren könnte.«
    »Wollen Sie es noch einmal besichtigen, Peter?«
    »Es ist noch hier?«
    »Es wird nie betreten. Ich mag es auch nie betreten … ich ärgere mich bei seinem Anblick immer über die Verschwendungssucht meines Vaters.« Der König klemmte seinen Stock unter die Achsel, wuchtete wieder zur Tür, riß sie auf und winkte den wartenden Lakaien. »Herkommen!« brüllte er, und als sie zu ihm liefen, riß er den Buchenstock unter der Achsel hervor und schlug auf sie ein. »Wo bleibt der Tokajer?!« schrie er mit gewaltiger Stimme. »Komme Er her, Er Hundsfott! Näher! Soll ich Ihm nachlaufen mit dem Stock?! Ja, heb Er nur die Arme, ich treffe Ihn doch!«
    Der Zwerg Lewon rollte sich wie eine Kugel zur Seite und starrte hinauf zu seinem Zaren und seiner Dubina. Prügelte er jetzt auch? Zwei stockschwingende Herrscher … eine neue Zeit war angebrochen.
    »Sehen wir uns das Bernsteinzimmer an, Peter«, sagte Friedrich Wilhelm mit zufriedener Stimme. Noch einen Hieb versetzte er einem aufheulenden Lakaien quer über den Rücken. »Ich habe uns den Weg freigemacht. Klettern wir in die dritte

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