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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hoppel steif wie ein Eichenstamm vor ihm stand. »Er will einen Nahkampf zeigen?«
    »So ist es befohlen!« antwortete Hoppel zackig. »Angriff und Vernichtung des Gegners mit allen Waffen.«
    »Sei Er vorsichtig, Feldwebel!« Der Dessauer hob warnend die Hand. »Zeige Er dem Zaren nicht zuviel von unserer Taktik. Er wird sie kopieren. Nur ein paar Dinge zeige Er: Stürmen, Hauen, Stechen. Das genügt. Unbesiegbar ist auch der, dessen Waffen man nicht kennt. Mach Er's gut, Feldwebel …«
    Es war eine Auszeichnung ohne Beispiel. Das Ansehen des Hans Hoppel wuchs, und auch die Furcht vor ihm.
    Das Erscheinen des Generals Johann von Schweinitz, einer der Armee-Inspekteure, kündete das Nahen des Königs und des Zaren an. Durch die Reihen des 1. Bataillons ging eine kurze nervöse Bewegungswelle … dann aber standen die Langen Kerls, keiner unter 1,90 Meter groß und mit ihren hohen, turmähnlichen Helmen noch gewaltiger wirkend, wie leblose, aus Ton geformte Figuren, Riesenleiber und Riesenköpfe, erschreckend für einen normalen Menschen, wenn er ihnen in seiner Kleinheit gegenüberstand.
    Und dann kam der König über den Exerzierplatz, an seiner Seite – die aus den Augenwinkeln schielenden Grenadiere glaubten es kaum – ein Riese wie sie, zwei Meter hoch, mit dem wiegenden Gang eines Seemannes, der selbst an Land das Meer unter sich spürt, ein Kaiser ohne Perücke und seidenem Gewand, mit derben Hosen und Schuhen, aber mit Augen, die scharf und durchbohrend bis ins Herz blicken konnten.
    Vor der Front des 1. Bataillons blieb Peter stehen und sah auf Friedrich Wilhelm hinab. Hinter ihnen, zwei Schritte zurück, hielt die Begleitung an: der Alte Dessauer, Generalleutnant von Grumbkow, General von Schweinitz, General von Renckendorff, Freiherr von Pöllnitz, Fürst Netjajew, General Odojewskij und der Zwerg Lewon Uskow. Vor solcher Ansammlung von Riesen mußte sich dieser wie ein Käferlein vorkommen.
    »Ich gratuliere«, sagte der Zar. »Noch nie habe ich eine solche Truppe gesehen. Überall spricht man von ihr, in allen Ländern, aber sie mit eigenen Augen zu sehen, wischt alle Erzählungen fort. Wie groß ist der Kleinste?«
    »Einen Meter neunzig, Majestät«, sagte von hinten General von Schweinitz.
    »Ein gutes Maß!« Der Zar sah an sich hinunter. »Ich könnte auch bei Ihnen dienen, Friedrich Wilhelm.«
    »Sie würden bei mir sofort Feldwebel!« Der König lachte und zeigte mit seinem Stock auf die bewegungslose Uniformenreihe. »Schreiten wir die Front ab, lieber Freund.«
    Die Majestäten gingen weiter, an die Spitze der Truppen, und Oberst von Rammstein selbst befahl mit heller, durchdringender Stimme das »Habt acht! Präsentiert das Gewehr!«
    Durch die Riesenreihe flog ein Ruck, die Gewehre sausten in die Luft, fielen kerzengerade in die linke Hand und vor die Brust, ein lautes schmatzendes Klatschen erfüllte die Luft, nur ein einziger Laut, kein Nachklappern, in einer Höhe waren die Hände, die Gewehrkolben, die Läufe, die Helmspitzen und die Kappen der Lederschuhe. Ein Lineal konnte nicht gerader sein. Hinter dem König nickte zufrieden der Dessauer. Da staunt er, der Zar! Das ist preußische Gründlichkeit.
    Oberst von Rammstein meldete die Truppen, stieß vor dem Zaren seinen langen Offiziersspieß in den Boden und schnarrte seine Begrüßung. Vor ihren Kompanien standen, ebenfalls mit in den Boden gerammten Spießen, die Offiziere und rissen mit der linken Hand ihre Spitzhüte von den weißen Perücken.
    Stolz schritt Friedrich Wilhelm die Front ab, seinen Gast neben sich völlig vergessend. Das war der Gipfel seines irdischen Glücks. An seinen Langen Kerls entlangzugehen, jedem in das Gesicht zu sehen und jeden spüren zu lassen: Ich bin euer Vater. Ich liebe euch alle, ihr Halunken und Hundsfotte!
    Am Ende der Besichtigung schien es, als wache der König wieder auf. Mit leuchtenden Augen sah er zu dem Zaren hoch. Sein Stock stieß auf den Boden.
    »So wie sie aussehen, kämpfen sie auch!« sagte er voller Stolz. »Sie werden Ihnen vorführen, daß es gegen sie keine Wehr gibt. Und so wie meine Garde, ist mein ganzes Heer erzogen.«
    Während unten im Lustgarten das Kriegspielen begann, standen oben am Eckfenster im dritten Stock zwei Männer im Bernsteinzimmer und beobachteten das Exerzieren. Der eine von ihnen trug einen einfachen, langen, blauen Rock, der andere die Uniform des Hofverwalters.
    »Es ist wirklich wahr, was Ihr gehört habt?« fragte der Zivile und sah hinunter zu dem

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