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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Politik. Er soll's auch nicht wissen, denn Er begreift es doch nicht. Wachter, Er ist der Verwalter und Aufseher des Bernsteinzimmers? Ich erinnere mich, zweimal hat Er mir Meldung gemacht.«
    »Dreimal, Majestät.«
    »Belehre Er mich nicht, Coujon!« Die Miene Friedrich Wilhelms verfinsterte sich. »Seit wann betreut er das Bernsteinzimmer?«
    »Seit 1707, Majestät. Die Sockel- und Wandfelder waren fertiggestellt, die restlichen Weiterarbeiten übernahmen die Bernsteinmeister Ernst Schacht und Gottfried Turow aus Danzig. Da hat Ihre Majestät Friedrich I. mich auf Lebenszeit beauftragt, über das Bernsteinzimmer zu wachen.« Wachter schwieg und fügte dann leise hinzu: »Das sind nun zwölf Jahre.«
    »Glaubt Er, Kanaille, ich könne nicht rechnen?« Die königliche Faust sauste auf die Tischplatte. »Und nun kommt das Bernsteinzimmer weg. Wird nach Petersburg gebracht. Was heißt nun auf Lebenszeit, Wachter? Ist Sein Leben nun damit herum?«
    »Fast, Majestät. Mir wird es das Herz brechen, wenn das Zimmer nach Rußland kommt.«
    Friedrich Wilhelm sah ihn lange und stumm an. Jetzt denkt er darüber nach, dachte Wachter, was er mit mir tun soll. Den Stock, das Gefängnis, der Zwangsdienst in der Armee oder ein einfaches Wegjagen ins Vogelfreie. Wie's auch sei … mein Leben ist nur noch wenig wert. Aber plötzlich sagte der König, und es riß Wachter fast um, als sei er vom Blitz getroffen:
    »Er ist ein treuer Diener des Königs und der Krone. Ich habe Wohlgefallen an Ihm. Glaubt Er, ich trenne mich von meinem Bernsteinzimmer wie von einem Bandwurm im Gedärm?! Noch einmal sag ich's Ihm: Die Politik begreift Er nicht. Um Preußens Größe geht es. Ich will mich nicht wie mein Vater König in Preußen nennen, sondern König von Preußen … und dazu fehlt mir Vorpommern, die von den Schweden besetzten Gebiete. Sie gehören zu Preußen! Versteht Er das, Wachter?«
    »Ja, Majestät. Der Pakt mit dem russischen Zaren …«
    »Genug mit dem Geschwätz!« Der König machte eine energische Handbewegung. »Was geht Ihn das alles an! Er hat für das Bernsteinzimmer zu leben … und Er wird für das Bernsteinzimmer leben. Wachter, Er begleitet das Zimmer nach Petersburg und wird bis zu seinem Tode bei ihm sein. Dem Zaren schicke ich ein Schreiben. Hat Er einen Sohn?«
    »Ja, Majestät.« Wachter war die Kehle zugeschnürt, seine Stimme zerpreßte die Worte. Nach Petersburg … mit meinem Bernsteinzimmer zum Zaren … ich werde bei ihm bleiben. Herz, steh nicht still, halte es aus … Berlin müssen wir verlassen, aber in Petersburg werden wir leben, im Versailles des Ostens. »Julius ist zehn Jahre alt, Majestät.«
    »Und Seine Frau?«
    »Wird einunddreißig.«
    »Und Er?«
    »Bin dreiundvierzig.«
    »Und nur ein Kind? Wachter, Er ist doch ein kräftiger Kerl, hat eine junge Frau – und nur einen Sohn?! Enttäusche Er mich nicht in Petersburg, mach Er Seiner Frau noch einige Kinder, noch Söhne. Einer ist keine Garantie. Er kann sterben. Ich habe einen Auftrag für Ihn … nicht zuletzt, weil ich meinen Vater trotz allem liebe. Wachter, schwör Er mir, heb Er die Hand hoch zu Gott …«
    Der König erhob sich von seinem Stuhl und streckte ebenfalls drei Finger an die Decke. So feierlich war es, daß Wachter die Knie weich wurden und seine hochgestreckten Finger hin und her schwankten.
    »Schwöre Er bei Gott« – begann der König wie ein Prediger in der Kirche – »das Bernsteinzimmer nie zu verlassen, es zu pflegen wie Sein eigen Aug und Kind, mit Seinem Leben zu schützen in allen Gefahren und Sorge zu tragen, daß immer ein Sohn die Pflege als Erbe übernimmt, über alle Generationen und Zeiten hinweg bis an der Welt Ende, solange auch das Bernsteinzimmer lebt.«
    »Ich schwöre es, Majestät.«
    Wachter senkte den Kopf und die Hand. Es war nicht mehr zu übersehen, er weinte.
    »Sei Er keine Memme!« rief Friedrich Wilhelm und gab Wachter einen Klaps auf die gesenkte Stirn. »Weiber weinen, ein Mann steht immer aufrecht. Auch wenn Er jetzt sagen wird, Er weine aus Glück.«
    »Ich weine aus Glück, Majestät –«
    »Dann geh Er schnell weg von mir, bevor der Stock hüpft. Laß Er sich morgen hundert Taler von der Kasse auszahlen. Er soll nicht wie eine Vogelscheuche in Petersburg einziehen, sondern wie ein Vertrauter des Königs von Preußen. Er vertritt unser Land wie ein Gesandter. Ist Ihm das klar? Und wehe Ihm, wenn seine Nachkommen meinen Auftrag vergessen. Ob in hundert oder zweihundert Jahren … mein

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