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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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–«, meinte eines Abends Wachter zu Sylvie, »– daß das Bernsteinzimmer unversehrt und gut bewacht ist. Sie sollen es nach Leningrad weitergeben, zum Direktor der Eremitage. Und eine große Bitte habe ich«, er sprach jetzt wieder russisch, »die Bitte eines Vaters. Frag sie, ob sie mein Söhnchen gesehen haben, ob sie wissen, ob er noch lebt oder ob er gefallen oder verhungert ist. Hat er an der Front gekämpft, oder ist er auf der Straße erfroren wie all die Hunderttausenden in Leningrad. Lebt er noch … wo ist er dann? Sylvie, kannst du das fragen? Ein Vaterherz kannst du von vielen Zweifeln und großer Not befreien. Auch Jana zittert um Nikolaj. Frag sie … frag sie … bitte …«
    Sylvie versprach es, aber in Leningrad schwieg man. Wochen gingen dahin, Monate, und immer hatte sie mit den Schultern gezuckt, wenn Jana fragte. Ein zermürbendes Warten war's, bis Wachter sagte:
    »Sie finden ihn nicht … auch das ist eine Antwort. Töchterchen, seien wir gefaßt, belügen wir uns nicht selbst. Nikolaj gehört zu den Tausenden Unbekannten, die sie in Leningrad begraben haben. Er ist als Held gestorben … das sei unser Stolz.«
    Er entzündete eine kleine runde Kerze in einem Metallschälchen, das die Deutschen ›Hindenburglicht‹ nannten, stellte sie vor die aufgeklappte Reise-Ikone seines Vorfahren Friedrich Theodor und betete zusammen mit Jana Petrowna für das Seelenheil Nikolajs. Jeden Tag erneuerte er die Kerze, ließ das flackernde Lichtchen nie ausgehen. Und als der große Flüchtlingstreck über Ostpreußen hereinbrach, als Tausende Leiterwagen, zweirädrige Karren mit Frauen und alten Männern als Zugtieren und voll bepackte Kinderwagen, Schlitten und sogar Flöße aus Brettern über die vereisten Straßen nach Westen zogen, im Schneesturm steckenblieben, als Tausende am Straßenrand erfroren und dort liegenblieben, weil es sinnlos und hindernd war, die Leichen mitzuschleppen, als von allen zuerst die Säuglinge und kleinen Kinder, die Schwachen und die Greise starben, besorgte sich Wachter kraft seines Gauleiter-Briefes aus der Zentrale für Bombengeschädigte drei Kisten voll ›Hindenburglichter‹, weil Bruno Wellenschlag sie kontingentierte: Für jede Familie pro Woche zwanzig Stück.
    Drei Kisten … jetzt hatte er genug bis zum Ende des Krieges. Das Ende, das vor der Tür stand, an den Grenzen Ostpreußens und im Westen von Ungarn bis zur Nordseeküste. Eine riesige Zange, die Deutschland zusammenquetschte. Jetzt war es kein Krieg mehr, den Hitler führte … es war ein millionenfacher Mord an seinem eigenen Volk.
    Gauleiter Koch empfing alle wichtigen Männer seiner Stäbe, alle Befehlshaber der vielfältigen Organisationen, die Kommandierenden der Truppenteile in und um Königsberg, auch Dr. Findling und sogar Wachter befahl er zu sich in den Saal der Gauleitung.
    Vor einer riesigen, an der Wand aufgespannten Hakenkreuzfahne stand er dann in seiner maßgeschneiderten Uniform mit den breiten Breecheshosen, die Beine gespreizt, den Kopf in den Nacken geworfen, vor seinen Satrapen, hielt eine seiner von Führerverehrung triefenden Reden und schrie am Schluß:
    »Königsberg bleibt deutsch! Ostpreußen wird nicht geräumt! Der Kampf bis zum letzten Mann ist unsere Pflicht! Es lebe unser Führer Adolf Hitler. Sieg heil!«
    Die Anwesenden streckten den rechten Arm empor und brüllten mit. Sieg heil! Sieg heil! Sieg heil!
    Auch Wachter hob den Arm und rief mit. Verzeiht mir alle, dachte er dabei. Verurteilt mich nachher nicht, ich tu's für mein Bernsteinzimmer. Der Sieg wird kommen. Er steht schon vor der Tür und holt nur noch tief Atem.
    Auf Königsbergs Straßen, an allen freien Wänden, an Ruinenmauern, an Plakatwänden und den Aufbauten der Lastwagen, auf Transparenten und in allen Zeitungen schrien die neuen Parolen auf die Bevölkerung herab. Parolen, die mehr aussagten als jeder Wehrmachtsbericht, jeder Artikel von Goebbels in der Zeitschrift Das Reich, jeder Kommentar im Reichsrundfunk. Aus diesen Parolen schrie der Untergang, den man verleugnen wollte, und die Mächtigen merkten es nicht.
    Der Führer erwartet Dein Opfer für Wehrmacht und Volkssturm
    Damit Dein Stolz, Dein Volkssturmmann,
in Uniform sich zeigen kann,
räum Du jetzt Schrank und Truhe leer
und bring uns bitte alles her!
    Auf zum heiligen Volkskrieg für die deutsche Heimat und unsere Zukunft.
    Unser unbeugsamer Wille: niemals Sklaven des anglo-amerikanischen
Kapitalismus,
niemals als bolschewistischer

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