Das Bernsteinzimmer
ab!«
Er legte auf. Hauptmann Leyser, der neben Dr. Findling stand und alles mitbekommen hatte, sah Findling betroffen an. »Das klingt nicht nach Endsieg –«, sagte er dann sarkastisch. »Also dann los! Sie bleiben hier?«
»Ich muß!«
»Dann – ein Überleben. Das ist alles, was ich Ihnen wünschen kann.« Sie gaben sich die Hand und gingen dann hinunter in den Hof des zerstörten Schlosses.
An den abfahrbereiten Lkws warteten neben den Fahrern mit der Rote-Kreuz-Binde auch Michael Wachter und eine junge Krankenschwester. Sie hatte einen Sanitätskoffer an einem Lederriemen über der linken Schulter hängen. Dr. Findling bekam einen Schreck, aber er besaß genug Beherrschung, es nicht zu zeigen. Michael, was tun Sie da? Die nächsten Minuten sind Ihr Todesurteil! Hauptmann Leyser blickte erstaunt auf die beiden und kam schnell näher. Wachter kannte er vom Beladen der Lastwagen, die Rote-Kreuz-Schwester war ihm neu.
»Ja bitte?« fragte er knapp. »Sie wünschen?«
»Ich bin bereit«, antwortete Wachter.
»Wozu?«
»Zur Begleitung des Sonderkommandos, Herr Hauptmann.«
»Sie? Davon weiß ich nichts.« Leysers Verblüffung war groß. »Ich habe Ihren Namen nicht auf der Transportliste.«
»Ich komme im persönlichen Auftrag des Herrn Gauleiters mit. Gewissermaßen in seiner Vertretung. Hier ist meine Anweisung, Herr Hauptmann.«
Wachter hielt Hauptmann Leyser den Brief vor, den Koch ihm nach dem verheerenden Luftangriff auf Königsberg geschrieben hatte.
»… dem Michael Wachter ist jede Hilfe zu gewähren. Er ist berechtigt, in meinem Namen im Zusammenhang mit den Kunstschätzen im Königsberger Schloß notwendige Anordnungen zu treffen …«
Hauptmann Leyser ließ den Brief sinken. Dr. Findling starrte Wachter ängstlich an. Ein eiskalter Hund sind Sie, Wachter, dachte er. Himmel, was wagen Sie da! Der Brief ist doch jetzt nichts mehr wert.
»Das ist kein Marschbefehl, Herr Wachter«, sagte Leyser prompt. »Zwar eine Vollmacht, aber –«
»In den Kisten befinden sich die größten Kunstschätze europäischer Kultur, Herr Hauptmann. Mein Auftrag vom Gauleiter lautet, sie nicht aus den Augen zu lassen und sie überallhin zu begleiten. Es gäbe ungeheure Komplikationen, wenn ich diesen Auftrag nicht erfüllen könnte. Sie haben es gelesen, daß ich zu notwendigen Anordnungen berechtigt bin.«
»Ohne Marschbefehl –«, sagte Leyser wieder, aber nun zögernder.
»Für die Ausstellung einer solchen Formalität ist es jetzt zu spät«, mischte sich Dr. Findling ein und blinzelte Wachter zu. »Sie haben gerade selbst am Telefon gehört: Der Transport muß sofort abgehen.«
»Dann also, gut. Steigen Sie ein!« Er wandte sich zu Jana um und betrachtete sie, wie jeder Mann, von oben bis unten mit einem interessierten Blick. »Und Sie?«
»Ich bin als Krankenschwester und Sanitäterin zugeteilt«, sagte sie mit einem forschen Augenaufschlag. »Der Herr Gauleiter ist der Ansicht, daß zu einer Sanitätskolonne auch eine Krankenschwester gehört. Und sei's zur Tarnung. Ich habe den Befehl zur Begleitung erhalten.«
»Natürlich in der Eile auch ohne Marschbefehl.«
»Nein, Herr Hauptmann … hier ist er.« Sie holte aus der Manteltasche das Formular. Marschbefehl für Schwester Jana Rogowskij für Sonderkommando Gauleiter Koch. Königsberg, den 21. Januar 1945. Unterschrift: Stabsarzt Dr. Pankratz.
»In Ordnung.« Leyser gab Jana das Papier zurück. Dr. Findling starrte sie fassungslos an. »Fahren Sie in meinem Kübel mit, Schwester Jana?«
»Wenn ich darf, Herr Hauptmann.«
»Es wird mir eine Freude sein.« Leyser trat zwei Schritte zurück und hob den rechten Arm. »Aufsitzen!« brüllte er zu den vor ihren Wagen angetretenen Fahrern. »Wagenabstand dreißig Meter! Kolonne – los!«
Zum letztenmal gaben sich Dr. Findling und Wachter die Hand.
»Michael, Sie sind ein verdammt mutiger Kerl! Machen Sie's gut.«
»Sie auch, Doktor. Auf Wiedersehen –«
»Glauben Sie daran?«
»Ich will es glauben. Gott mit Ihnen, Doktor.«
Plötzlich fielen sie sich in die Arme und umarmten sich. Der erste Wagen fuhr schon an, Jana und Hauptmann Leyser liefen zu dem Kübelwagen, wo der Stabsgefreite Hasselmann wartete.
»Ich habe noch eine große Hoffnung«, sagte Dr. Findling leise. »Koch wird mich in seinen Stab nehmen, und Koch will überleben. An seiner Seite komme ich hier heraus … das ist meine einzige Chance …«
Wachter riß sich los, rannte zum Wagen neun, mit dessen Fahrer, dem Unteroffizier
Weitere Kostenlose Bücher