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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lagerort wird von dort bekanntgegeben.«
    »Sie übermitteln den Befehl des Führers nach Reinhardsbrunn, Herr Reichsleiter?«
    »Ja!«
    Bormann legte abrupt auf. Koch wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. Reinhardsbrunn gefiel ihm gar nicht. Das Schloß kannte er nicht, wohl aber das Geheimnis, daß hier die SS, vor allem Himmler, eine große Menge Kunstschätze des Reichsamtes SS versteckt hatte. ›Sein Bernsteinzimmer‹ neben den Schätzen der SS zu wissen, behagte ihm wenig. Auch Bormanns Mitteilung, daß Reinhardsbrunn nur eine Zwischenstation sein sollte, beruhigte ihn nicht. Warum nicht Thüringen, dachte er wütend. Warum nicht Göttingen? In den sicheren Schächten der Salzbergwerke, deren Sohlen bis in 600 Meter Tiefe reichten, war der beste Platz, die Schätze zu retten. Man sprengte die Zugänge, und niemand, außer ein paar Eingeweihten, würde ahnen, was da unter der Erde lag. Bombensicher, gut konserviert, bestens temperiert … ein Lager für Jahrtausende, in diesem Falle für ein paar Jahre. Die neue Wunderwaffe, von der man munkelte und flüsterte, die Bombe mit Atomkernspaltung, an der ein geheimes Forscherteam zusammen mit Wernher von Braun, dem Schöpfer der Raketen V 1 und V 2, die jetzt täglich auf London niederheulten, unentwegt arbeitete, würde alle Feinde in einem unvorstellbaren Feuerball von dieser Erde brennen und Deutschland den Sieg bescheren.
    In der Nacht zum 22. Januar 1945, die sowjetischen Divisionen hatten Wehlau erobert und standen jetzt nur noch knappe vierzig Kilometer vor Königsberg, rief Koch den vor Unruhe schlaflosen Dr. Findling an.
    »Wir können!« sagte er. »Die Transportstaffel ist unterwegs zu Ihnen. Der Transportführer, ein Hauptmann Leyser, hat den genauen Fahrplan bei sich. Bei Morgengrauen müssen die Wagen die Stadt verlassen haben.«
    »Ich bin bereit, Gauleiter.«
    »Wieso Sie?« Kochs Stimme dehnte sich vor Erstaunen. »Sie brauche ich noch hier. Die Kisten können allein reisen. Es ist garantiert von der Parteikanzlei, daß sie überall bevorzugt behandelt werden und in eine sichere Lagerstelle kommen. Sie können jetzt für das Bernsteinzimmer nichts mehr tun …«
    Dr. Findling schluckte. Er wußte, daß es für ihn keinen Ausweg gab. Er trug die Uniform des Volkssturmmannes, er hatte auf den Führer seinen Eid als Soldat abgelegt, er fiel unter die Parole ›Bis zum letzten Mann‹.
    »Und Wachter?« fragte er.
    »Findling, stellen Sie doch jetzt, wo's eilt, nicht so dumme Fragen! Was soll Wachter denn bei dem Transport?«
    »Aufpassen. Wie immer. Wie seit über 226 Jahren!«
    »Will er etwa auch noch mit hinunter in die 600-Meter-Sohle eines Bergwerkes?« fragte Koch spöttisch. »Ein moderner Barbarossa? Der treue Wachter, in Salz konserviert! Nach 226 Jahren hat die Familie Wachter es verdient, sich auszuruhen. Übrigens ist er noch nicht zu alt, um ein Gewehr zu halten und abzudrücken! Er bleibt in der Festung Königsberg wie Sie … und ich … Der Führer braucht jetzt jeden Mann. Wir wissen doch, seit Ilja Ehrenburg, was uns erwartet. Teilen Sie das Wachter mit.«
    Eine Stunde nach diesem Gespräch, das Findling nie vergessen sollte, fuhren in den Schloßhof zwanzig Lastwagen ein. Dr. Findling traute seinen Augen nicht: Die Aufbauten und die Dächer der Transporter waren groß mit einem roten Kreuz bemalt, als handele es sich um eine Hilfsgüterkolonne oder um Verwundete.
    Unterstrichen wurde dieser Eindruck auch noch durch die Rote-Kreuz-Armbinden, die jeder Fahrer über den linken Ärmel gestreift hatte. Nur Hauptmann Leyser, der in einem Kübelwagen fuhr, trug diese Armbinde nicht.
    »Das ist die größte Frechheit, die ich jemals gesehen habe«, sagte Wachter gepreßt. »Wenn sich das rumspricht, ist kein wirklicher Lazarettwagen oder Verwundetenzug mehr sicher.«
    »Um Himmels willen, halten Sie den Mund, Michael!« Dr. Findling stieß Wachter warnend in die Rippen. »Denken Sie nur daran: In den Wagen ist das Bernsteinzimmer! Um es zu retten, wird es als Rote-Kreuz-Fracht getarnt. Nur daran müssen Sie denken. Ich möchte nicht wissen, wieviel Dinge unter dem Schutz des Roten Kreuzes hin und her geschoben werden. Mein Gott, denken Sie in unserer Situation bloß nicht an Moral!« Dr. Findling sah dem Auffahren der Lkw-Kolonne zu. »Morgen ist alles vorbei. Da sind wir Volkssturmmänner.«
    »Ich nicht, Herr Doktor.«
    »Wachter, was haben Sie vor?«
    »Ich bleibe natürlich bei dem Bernsteinzimmer.«
    »Das ist Wahnsinn!

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