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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hättest dabei bleiben müssen, Jana.«
    »Väterchen, du warst mir wichtiger.«
    »Das Bernsteinzimmer … wir … wir sehen es nicht wieder. Jana … wird haben versagt … nach 226 Jahren hat ein Wachter versagt … Warum habt ihr mich nicht sterben lassen.« Plötzlich weinte er, Tränen rannen über seine zerfurchten Wangen in die Mundwinkel. Mit einem Mulltupfer saugte Jana sie weg. »Wie können wir Nikolaj jemals wieder unter die Augen treten?«
    »Bald ist der Krieg zu Ende, Väterchen.« Jana beugte sich über Wachter und trocknete sein Gesicht. »Dann suchen wir es, und wir werden es finden. Wir kennen doch den Weg. Berlin, dann nach Schloß Reinhardsbrunn in Thüringen, von dort in ein Salzbergwerk. Vielleicht sind wir nach dem Krieg die einzigen, die es noch wissen. Väterchen, wir finden das Bernsteinzimmer wieder … und eines Tages steht es wieder im Katharinen-Palast, Nikolaj wird es bewachen und pflegen, und du wirst im Park mit deinen Enkeln spielen und ihnen erzählen, wie Großväterchen von Flugzeugen beschossen wurde, die Narben wirst du ihnen zeigen, und sie werden überall erzählen: Unser Großväterchen ist ein Held der Nation. Stolz werden sie alle auf dich sein.«
    »Aber ich schäme mich.« Wachter drehte den Kopf zur Seite. »Geschworen haben wir …«
    »Hat Gauleiter Koch nicht auch geschworen: bis zum letzten Mann? Geflohen ist er, schon am 28. Januar, mit allen seinen Leuten, nach Neutief bei Pillau. Dort wartet er jetzt in einem unterirdischen Hauptquartier auf seine weitere Flucht nach Westen.« Jana umfaßte mit beiden Händen Wachters Gesicht und drehte es wieder zu sich herum. »Väterchen, gesprochen habe ich mit dem Genossen Generalleutnant Bogdanow, Kommandeur der 2. Garde-Panzerarmee. Erzählt habe ich ihm alles, habe ihm als Zeugen General Sinowjew genannt. Angerufen hat er Sinowjew, und dann hat Bogdanow gesagt: Das Bernsteinzimmer, hat Lenin gesagt, ist ein Heiligtum der Nation! Verlaßt euch auf Bogdanow. Ich werde euch helfen, wo ich kann …«
    »Worte. Worte! Alles nur Worte!« Wachter umklammerte Janas Hände. »Wir hätten bei ihm bleiben müssen. Wo sollen wir es später suchen?«
    »Wir kennen seinen Weg, Väterchen. Wir haben seine Spur.«
    »Eine Spur? Nichts haben wir, Janaschka! Nichts. Du hättest mich auf einer Kiste festbinden müssen!«
    »Dann wärst du gestorben …«
    »Der einzige Grund, das Bernsteinzimmer zu verlassen, Jana. Der Tod!«
    »Klage nicht, Väterchen. Lieg ruhig, sammle Kraft. Wir ziehen weiter mit unseren Soldaten nach Berlin. Der Sieg ist zum Greifen nahe. Die Spitzen unserer fünften Panzerarmee stehen vor Zehden, nur noch sechzig Kilometer von Berlin entfernt. Wir holen das Bernsteinzimmer ein, Väterchen, wir holen es ein! Nur stark mußt du jetzt wieder werden … Darum bin ich bei dir geblieben.«
    Wachter nickte schwach, dann schlief er wieder ein, erschöpft von dem langen Reden und geschwächt von dem großen Blutverlust. Er träumte, wie er das Bernsteinzimmer betrat. Aufgebaut war es wieder, in seiner ganzen sonnenleuchtenden Pracht. Durch die Fenster flutete das Licht und ließ die Schnitzereien und Wände in allen goldenen Farben funkeln. Schon wollte er an die Wandtafel treten, aus der das Engelsköpfchen für den Zaren Peter gebrochen worden war, um es voll Demut zu küssen, da riß ihn eine Hand brutal zurück, und eine harte Stimme sagte auf englisch: No entry !
    Kein Eintritt!? Er, Wachter, durfte nicht das Bernsteinzimmer betreten?! Auf englisch befahl man das?! Und plötzlich löste sich vor seinen Augen das Bernsteinzimmer auf, floß ineinander, zerstob nach allen Seiten, und zurück blieb eine zerstörte schwarze Wand mit Rissen und Löchern, durch die ein Sturm ihm den Hut vom Kopf riß.
    Mit einem lauten Stöhnen wachte er auf. Jana war wieder bei ihm, drückte ihn in die Kissen zurück und streichelte sein Gesicht. »Ganz ruhig, ruhig …« sagte sie.
    »Töchterchen, Janaschka!« schrie er und wehrte sich gegen ihre Hände. »Laß mich los! Laß mich gehen! Ich habe es gesehen … ich habe mein Bernsteinzimmer verloren … Jana, das Zimmer gibt es nicht mehr.« Dann fiel er in Ohnmacht, und es sah aus, als sterbe er jetzt wirklich …
    An einem der letzten Januartage 1945 fuhr eine SS-Kolonne mit vier geländegängigen Wagen in den kleinen Ort Nußdorf am Attersee ein und hielt vor dem Gemeindehaus. Über dem See, dem größten von Österreich und beliebt bei den Urlaubern wegen seiner herrlichen Lage zwischen

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