Das Bernsteinzimmer
hinab.
Wachter senkte den Kopf, stellte den Kragen seines Mantels hoch und schloß die Augen. Wehmut drückte auf sein Herz. Und Trauer.
Gott, der du alles siehst und weißt: Wo ist mein Bernsteinzimmer …?
LARRY
DIE PERSONEN:
Michael Wachter
Verwalter des Bernsteinzimmers
Nikolaus Wachter
sein Sohn
Jana Petrowna Rogowskaja
dessen Verlobte
Lieutenant Bob Mulligan
US-Soldat und Kunsthistoriker
Captain Fred Silverman
US-Soldat und Kunstexperte
General Patton
Kommandeur der 3. US-Army
General Eisenhower
Oberkommandierender der US-Army
Larry Brooks
Sergeant der US-Army
Joe Williams
Master-Sergeant der US-Army
Eberhard Moschik
Grubendirektor von Merkers
Johannes Platow
Grubeninspektor von Merkers
Wassilissa Iwanowna Jablonskaja
sowjetische Kunstwissenschaftlerin
Die Schachtanlagen der Kaligrube Kaiseroda II/III bei der kleinen Stadt Merkers in Thüringen waren von amerikanischen Panzern umstellt. Rund um das Salzbergwerk war Flak aufgestellt worden, alle Straßen nach Merkers waren von amerikanischen Militärpolizisten gesperrt, über der Schachtanlage kreisten zwei Hubschrauber, und ein Bataillon Infanterie stand in Paradeformation auf dem Platz vor dem Verwaltungsgebäude der Grube. Eine Menge von Jeeps und Trucks war aufgefahren, schwere Lastwagen mit kompletten Werkstatteinrichtungen, drei mittelschwere Kräne standen vor den Schachteingängen, an denen Posten mit schußbereiten Maschinenpistolen warteten.
Es war der 12. April 1945. Die 3. US-Armee unter General Patton hatte Thüringen erobert in einem Sturmlauf, der atemberaubend war. Als die ersten Panzerkolonnen und Kettenfahrzeuge durch Merkers rasselten, ein Captain das Gemeindeamt betrat, den Bürgermeister und alle anderen Amtspersonen für abgesetzt und vorläufig unter Haft erklärte, war auch ein Jeep unter den Fahrzeugen, in dem Captain Fred Silverman und Lieutenant Bob Mulligan saßen. Auch sie hielten beim Gemeindeamt, verlangten den Bürgermeister und sprachen den verschüchterten Mann – wer ist nicht voller Angst, wenn er plötzlich verhaftet wird? – in einem einwandfreien Deutsch an. Silverman, als Friedrich Silbermann in Frankfurt am Main geboren, war im Februar 1933 über London nach New York geflohen, zusammen mit seinen greisen Eltern und nur mit einem Koffer in der Hand. Der Captain grüßte kurz und fragte knapp: »Wo geht es zur Kaligrube Kaiseroda II/III?«
Der Bürgermeister erklärte es ihm und wurde etwas bleich. Silverman bemerkte es, winkte Mulligan zu und setzte sich vor dem Verhafteten auf einen der Bürostühle.
»Ich sehe Ihnen an, Sie wissen, wonach ich frage. Spielen Sie jetzt nicht den Ahnungslosen!« sagte er scharf. »Bevor wir uns selbst darum kümmern, beantworten Sie mir erst einige Fragen. Zunächst zu uns: Wir sind Mitglieder des OSS, das ist die Abkürzung von Office of Strategie Service! Das sagt Ihnen nichts?«
»Nein. Habe ich noch nie gehört.« Der Bürgermeister schüttelte den Kopf.
»Es ist der Name des amerikanischen Geheimdienstes. Sie sollten ihn sich gut merken. Sie werden noch oft mit ihm sprechen. Die Einsatzgruppe für ›Kunst- und Kulturgüter im deutschen Reichsgebiet‹, wir nennen sie ORION, hat seit 1944 über Agenten, durch Geheimberichte und andere Quellen eine genaue Kenntnis über die Auslagerungsstätten deutscher und geraubter Kunstschätze erhalten. Mein Kollege Mulligan und ich sind Kunsthistoriker, und wir wissen, genau wie Sie, welche Bedeutung Merkers hat.« Silverman machte eine Sprechpause und gab damit das Wort an Mulligan weiter.
Mulligan hielt sich nicht mit einer langen Vorrede auf. »Was befindet sich im Kalibergwerk?« fragte er schroff.
»Ich weiß es nicht, Herr Offizier.«
»Wann wurden die Lieferungen ausgeführt?«
»O Gott, das waren eine ganze Menge. Das begann schon 1944 und ging ab Januar 1945 erst richtig los. Laufend Transporte. Schwere Lastwagen und Eisenbahnwaggons von Weimar und Gotha … von allen Truppenteilen. Wehrmacht, Luftwaffe, SS … man hat gemunkelt, daß nach Reinhardsbrunn das neue Führerhauptquartier kommen sollte.«
»Das wissen wir.« Mulligan winkte energisch ab. »Weiter.«
»Der letzte Transport kam im Salzbergwerk am 10. April an. Lastwagen mit Schweizer Kennzeichen, Schweizer Flagge und dem Roten Kreuz. Aber da saßen keine Schweizer drin, keine Zivilisten … SS war es … sogar hohe Offiziere. So wie SS-Obersturmbannführer und SS-Standartenführer. Ja, das war, soviel ich weiß – ich habe ja nicht alles gewußt, ich wurde
Weitere Kostenlose Bücher