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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinein. Dort zerrten ihn drei Fahrer weiter in Deckung … nach einer Wende griffen die Tiefflieger zum zweitenmal an.
    Wachter lag auf dem Bauch und spürte keinen Schmerz. Nur ein heftiges Zittern lief von der Schulter über seinen ganzen Körper, klebrige Feuchtigkeit spürte er auf der Haut. Blut ist das, dachte er. Ja, das ist Blut. Sie haben mich getroffen, verwundet bin ich, die linke Schulter, wie ein Hammerschlag war's, aber es tut nicht weh, nur wie gelähmt bin ich rechts, kann den Arm nicht mehr heben, alles in mir zittert, als läge ich nackt auf Eis.
    Seine Zähne schlugen aufeinander, er konnte es nicht verhindern. Er drehte sich auf den Rücken, starrte zum Baum, unter dem er lag, hinauf und staunte, wie weich und ineinander verlaufend alle Konturen waren und der Schnee nicht mehr weiß, sondern bläulich schimmerte. Und dann war da plötzlich das Gesicht von Jana, ganz nahe über ihm, ihre schwarzen Augen voll Sorge, ihr schöner Mund, und sie fragte: »Väterchen, tut's weh? Lieg ganz still, ganz still …«, und dann war das Hämmern der Maschinengewehre wieder um sie, das Klatschen der Geschosse in die Baumstämme und den Boden. Er hörte, wie der Stabsgefreite Hasselmann brüllte: »Diese Säue! Diese Drecksäue! Gibt's kein anderes Ziel als meinen Suppenkessel?« Und dann wieder Janas Kopf, sie sagte Worte, die er nicht verstand, in die hinein er aber flüsterte: »Töchterchen, es geht mir gut. Keine Schmerzen. Alles halb so schlimm …« Und dann hörte er Leysers Stimme: »Sammeln! Die Scheiße ist vorbei. Seht euch das an! Kein Schuß in die Wagen. Das war 'ne Meisterarbeit!«, und dann Janas Stimme: »Wir müssen ihn mitnehmen. Ich kann ihn nur notdürftig versorgen und verbinden … bis zur nächsten Stadt …«, und wieder Leysers Stimme: »Das ist Schneidemühl …«
    Dann spürte er, wie man ihn hochhob, zu einem Wagen trug und auf die Ladeklappe legte. Jemand sagte: »Schneid ihm die Uniform auf …«, plötzlich wurde es kalt an seiner Schulter, Jana sagte irgend etwas, die Augen riß er auf, aber er sah nur Dunkelheit um sich, und dann durchzuckte ihn ein Schmerz, der von der Hirnschale bis zum Zehennagel fuhr. Er schrie auf, vor seinen Augen schien ein Stern zu explodieren, und dann war er im Nichts. Es gab keine Gefühle und kein Denken mehr.
    Irgendwann wachte er auf, hörte Geräusche, fühlte unter seinen Fingern Stoff, aber es blieb dunkel um ihn, und er tauchte wieder unter im Nichts. Als es ihm gelang, die Augen aufzureißen und die Erinnerung schlagartig zu ihm zurückkehrte, merkte er, daß er nicht mehr am Waldrand im Schnee lag, auch nicht auf der Ladeklappe eines Lastwagens, sondern in einem Bett, und das Weiß um ihn herum war keine Schneedecke, sondern ein Bettbezug. Aber Jana war da … ja, ihr Gesicht schwebte wieder über ihm. Sie lächelte ihn an, und er versuchte, zurückzulächeln, und dann hob er den Kopf und erkannte staunend, daß Jana eine andere Uniform trug, nicht mehr die Rote-Kreuz-Tracht, sondern eine grüne weite Bluse, einen langen grünen Rock und an den Füßen derbe Stiefel. Und dann hörte er Leute sprechen in einer Sprache, die er kannte, die aber nicht hierher gehörte, eine Frauenstimme sprach mit einem Mann russisch, und der Mann antwortete auf russisch: » Sestra , sei gnädig, gib mir noch eine Spritze. So weh tut's mir im Leib …«
    Was war das? Was geht um mich herum vor?
    »Ja, Töchterchen …« sagte er mühsam mit schwerer, wie verklebter Zunge. »Wo … wo sind wir?«
    »In Schneidemühl, Väterchen. Drei Tage hast du geschlafen. Operiert bist du, alles ist gut, nicht steif werden wird dein Arm. Das Schulterblatt wird wieder zusammenwachsen. Ein Geflecht aus Silberdraht haben sie darübergezogen, da wächst der Knochen wieder zusammen. Hast großes Glück gehabt, sagte Dr. Trofim Igorowitsch Fedorenkow. Ein fabelhafter Chirurg ist er.«
    »Fedorenkow …« Wachter versuchte, wieder den Kopf etwas zu heben. »Jana, Töchterchen … habe ich einen Fieberwahn? Wo bin ich?« – »Im Lazarett Nummer 3 der sowjetischen 2. Garde-Panzerarmee. Seit zwei Tagen ist Schneidemühl russisch. Väterchen, wir sind wieder bei unseren Brüdern und Schwestern.«
    Wachter ließ sich zurück auf das Kissen fallen. Der Schmerz überfiel ihn, nicht vom Rücken her, sondern aus dem Herzen.
    »Und das Bernsteinzimmer?« fragte er kaum hörbar.
    »Ich hoffe, es ist jetzt in Berlin.«
    »Ohne … ohne uns …?«
    »Väterchen, es ging um dein Leben –«
    »Du

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