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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ja auch nie gefragt – der letzte Transport. Sie haben zwanzig Kisten, große Kisten abgeladen. Holzkisten, zum Schutz mit Firnis gestrichen, und auf den Kisten stand ›Wasserbaubehörde Königsberg‹. Ja, und alle hatten einen deutlichen roten Punkt. Mehr weiß ich nicht.«
    Mulligan und Silverman sahen sich kurz an.
    »Kamen die Kisten von Schloß Reinhardsbrunn?«
    »Möglich. Ich weiß es nicht. Die Wagen kamen zweimal … am 9. und am 10. April.«
    »Also vorgestern …« Silverman sprach nun weiter. »Und dann?«
    »Dann stießen Ihre Panzerspitzen vor, und der Spuk hatte ein Ende. Alle verschwanden über Nacht.«
    »Aus den Schächten ist nichts mehr mitgenommen worden?«
    »Unmöglich. Dazu blieb ja keine Zeit.«
    »Es ist also alles noch drin? Sind die Eingänge gesprengt?«
    »Nein. Das heißt, ich weiß es nicht. Ich bin seit zwei Tagen kaum aus dem Haus gegangen. Da war die SS, wissen Sie, und KZ-Häftlinge mußten die Kisten und alles andere schleppen.«
    »Und die SS hat die Häftlinge mitgenommen?« Silvermans Gesicht war schmal und kantig geworden.
    »Ja.« Der Bürgermeister senkte den Kopf. »Wir können doch nichts dafür, Herr Offizier.«
    Silverman erhob sich abrupt, auch Mulligan sprang auf.
    »Fahren wir zum Bergwerk, Bob«, sagte Silverman mit belegter Stimme. »Alle sind sie unschuldig, alle. Aber drei Onkel, drei Tanten, zwei Cousinen und ihre Ehemänner sind in Buchenwald und Dachau verscharrt worden. Darunter drei Kinder, Bob! Aber alle Deutschen sind unschuldig … sie haben nur alle geschrien ›Führer, wir folgen dir!‹ so wie man eben schreit als sei's ein Football-Spiel …«
    Sie verließen das Gemeindeamt, sprangen unten in ihren Jeep und fuhren sehr schnell in Richtung Kalibergwerk ab.
    Jetzt, um fünf Uhr nachmittags, war die Schachtanlage Kaiseroda II/III zu einer Art Festung geworden. In wenigen Minuten sollten die Männer eintreffen, von denen die ganze Welt sprach: Die US-Generäle Bradley, Patton – und Eisenhower.
    Der kleine thüringische Ort Merkers wurde zur Sensation.
    Larry Brooks, aufgewachsen in einem Armenviertel von Brooklyn als Sohn eines Leichenwäschers in einem großen Beerdigungsinstitut, während die Mutter von sechs Uhr abends bis zwei Uhr in der Frühe als Klofrau im gekachelten Keller eines Mittelklasse-Hotels dazuverdiente, um sechs Kinder nicht hungern zu lassen, hatte als Jüngster der Brooks-Familie das für ihn einzig Richtige getan: Er hatte sich zur Army gemeldet. Sie wurde sein Zuhause, die Kameraden waren seine Familie. Er hatte ein Bett zu jeder Jahreszeit, er bekam ein gutes Essen, der Lohn reichte aus für Zigaretten, Whiskey und einen Puff-Besuch einmal pro Woche, und selbst die gesamte Kleidung stellte die Army, von den Socken bis zum Schlips. Es war ein herrliches Leben, auch wenn man dauernd angebrüllt wurde, strammstehen mußte und sadistische Ausbilder einen durch Sandgruben oder Schlammlöcher hetzten. Kein Lohn ohne Arbeit, sagte sich Larry. Aber gegen das, was mein Alter seit Jahrzehnten machte, immer nur Tote schrubben, rasieren, anziehen und schminken, bis sie aussahen wie die ondulierten Leichen in den Hollywood-Filmen – komischerweise gefiel das den Hinterbliebenen, und sie waren von Al Brooks Leistungen begeistert –, war der Militärdienst eine saubere, reelle Sache. Als er dann Sergeant wurde und selbst kommandieren konnte, wurde die Army wirklich seine Heimat. Der Krieg gegen die Germans, die man ›Krauts‹ nannte, weil in Amerika Sauerkraut mit Eisbein als Inbegriff alles Deutschen galt, die Invasion in Italien, der Vormarsch auf Monte Cassino , die Versetzung zur 3. Armee des sagenumwobenen Generals Patton, die Eroberung Deutschlands … das alles war ein verdammt harter und blutiger Job gewesen, aber eben nur ein Job für Larry, weiter nichts. Es galt nicht, die Freiheit der USA zu verteidigen, sondern den größenwahnsinnigen ›Krauts‹ in den Arsch zu treten und diesen kleinen Schnurrbart, diesen Hitler zu beseitigen. Für die ungeheuren Massen von Material, das man aus den USA nach Europa warf, fuhr er einen schweren dreiachsigen Truck und hatte darauf schon alles transportiert, was man verladen konnte: von Granaten bis zu beschlagnahmten Kühen, von Werkstattkisten bis zu schlichten Holzsärgen.
    Bei der 3. Armee, Transportbataillon II, lernte er Joe Williams kennen.
    Williams war ein völlig anderer Mensch als Larry. Er war in einem guten Elternhaus aufgewachsen, zwei Jahre älter als er, und wenn Joe

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