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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach zehn, zwanzig oder dreißig Jahren kaum noch Erinnerungen, die man auswerten kann, oder die meisten Zeugen sind gestorben. So wurde Silverman ans andere Ende der Welt versetzt, und um ihm ein wenig Abwechslung zu gönnen, ließ man ihn später nach Peking umziehen, das für einen Kunsthistoriker wie ihn ein überwältigendes Erlebnis war. Die in den deutschen und österreichischen Salzbergwerken eingelagerten und entdeckten Kunstschätze der Nazis schnitt man damit aus seinem Leben heraus.
    Viel Informationen für die Öffentlichkeit gab es sowieso nicht, die wechselvolle Geschichte des Kunstraubes wurde totgeschwiegen. Nur einmal sickerte eine Bemerkung durch, als der damalige Leiter des Central Collecting Point Wiesbaden, Mr. Walter Fermer, voller Verbitterung sagte: »Wir konnten es nicht fassen, daß wir Amerikaner uns nun anschickten, genau das zu tun, was Hitler getan hatte. Wir waren dabei, Bilder aus dem Besitz eines anderen Landes in ›Sicherheitsgewahrsam‹ zu nehmen. Das Besondere dieser Auswahl aber war: Die Zusammenstellung der Bilder sollte die Lücken in amerikanischen Sammlungen füllen.«
    Auch private, unbekannte Sammlungen profitierten davon, und in den Tresoren von Kunstliebhabern oder einfach Kapitalanlegern stapelte sich Kunst. So verschwanden unter amerikanischer Besatzung spurlos weltberühmte Kunstwerke aus den Berliner Museen, die vor allem im Salzbergwerk Grasleben ausgelagert worden waren. Das erste, was vom amerikanischen Geheimdienst beschlagnahmt wurde und danach verscholl, waren fast alle Lagerlisten mit den genauen Angaben.
    Erst viele Jahre später gelang es, eine Reihe der fehlenden Kunstwerke zu benennen. Verschwunden waren der ›Schatz des Priamos‹, die Goldkiste der ägyptischen Abteilung, 80 Steinskulpturen der indischen Sammlungen, 34 Kisten unersetzbarer ostasiatischer Kunst, 50 Kisten mit anderen Skulpturen, 330 antike Vasen, berühmte Gemälde wie Menzels ›Tafelrunde in Sanssouci‹ oder der bewunderte ›Knabe aus Naxos‹, Inbegriff griechischer Schönheit und Harmonie.
    Diese Schätze und noch viel, viel mehr hatten nicht, wie immer wieder laut behauptet wurde, die Russen als Beutegut abtransportiert, sondern waren im Westen unter amerikanischer Besatzung verschwunden.
    Merkwürdiges geschah dann in den folgenden Jahren nach dem Krieg: Die deutschen Museumsbeamten und Abteilungsleiter der Berliner Museen, die das Ende des Hitler-Reiches überlebt hatten und die nun darangegangen waren, nach dem Verbleib der Kunstschätze zu forschen, die mit den letzten Transporten aus Berlin am 6. und 7. April 1945 nach Grasleben und Merkers geschafft worden waren, dezimierten sich auf rätselhafte Weise.
    Der Leiter der Antikenabteilung wurde mit einer harmlosen Blinddarmreizung in ein Krankenhaus eingeliefert, operiert, die Wunde verheilte gut, er fühlte sich gesund und kräftig, aber an dem Tag, an dem er aus dem Krankenhaus entlassen werden sollte, starb er plötzlich. Die schnelle Diagnose: Darmkrebs.
    Vier Tage später schluckte der Chef der Skulpturenabteilung, die am meisten gelitten hatte, eine tödliche Dosis Zyankali, nachdem er eine Liste der fehlenden Exponate angefertigt hatte. Die Liste wurde nie gefunden, nur der Tote.
    An seinem Schreibtisch wurde der Leiter des Völkerkundemuseums erschossen aufgefunden. Selbstmord hieß es, wie bei dem Zyankalitoten. Aber weshalb Selbstmord? Es gab nicht den geringsten Grund dafür.
    Plötzlich starb im Sommer 1945 auch der Restaurator der Gemäldegalerie. Herzschlag, hieß es. Aber niemand konnte sich daran erinnern, daß er jemals über Herzbeschwerden geklagt hatte – er war ein gesunder Mann gewesen.
    Und spurlos verschwand auch ein anderer Restaurator der Nationalgalerie, der am 7. April eine genaue Liste aufgestellt hatte, ein Inventarverzeichnis der ausgelagerten Gemälde.
    Und der Mann, der diese Aufzählung von Merkwürdigkeiten und Rätseln zusammengestellt hatte, war später nicht mehr bereit, darüber zu sprechen. Freunde flüsterten sich zu, er habe Angst, Todesangst.
    Und die Zeit, die Jahre breiteten einen Schleier des Vergessens über alle Mutmaßungen und über alle Wahrheiten.
    Silverman im fernen Peking hatte dieses umfangreiche Material gesammelt. Er war nun vierundvierzig Jahre alt, Botschaftsrat, und konnte einem angenehmen Lebensabend entgegensehen. Über das Bernsteinzimmer sprach er seit zehn Jahren nicht mehr, es galt als verschollen und verloren, seitdem es angeblich im Bergwerk von Merkers

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