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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wir sprechen russisch, wir denken russisch, man spricht unsere Namen russisch aus, aber wir sind Deutsche.«
    »Das hat unser Urahn Friedrich Theodor dem Preußenkönig geschworen …«
    »Die Amerikaner werden den Brief von Silverman an uns kontrollieren, der Brief wird dann von den sowjetischen Behörden zensiert, ehe er zu uns kommt … wenn er dann überhaupt noch kommt.«
    »Nein, kein Brief an mich ist zensiert worden!« sagte Wachter abwehrend. »Jeder Brief an mich ist angekommen!«
    »Vor dem Krieg, Vater.« Nikolaj erhob sich und zog Jana von dem Denkmalsockel hoch. »Aber jetzt? Der Krieg hat die Welt und die Menschen verändert … gründlich verändert. Nichts wird mehr so sein, wie es früher war. Die Welt hat ein anderes Gesicht bekommen.«
    So schien's zu sein. Das Jahr ging zu Ende … der Genosse Agajew und seine Sonderkommission schwiegen. Ein paarmal schrieb Wachter hin, aber Antwort bekam er nie. Als das Telefon wieder in Ordnung war, rief er dreimal an. Immer war eine tiefe, mürrische Frauenstimme am Hörer und sagte: »Ist in Moskau!« oder »Ist in Kiew!« oder »Ist nicht da! Wo er ist? Was kümmert's Sie, Genosse?!« Nach dieser frechen, groben Auskunft ließ Wachter das Telefonieren sein. Er schrieb einen langen Brief an die Zentralkommission in Moskau, aber auch von dort antwortete ihm nichts als Schweigen. Nur von der Museenverwaltung hörte er etwas. In Würdigung seiner Verdienste um den Katharinen-Palast und seiner jahrzehntelangen guten Arbeit habe man sich entschlossen, ihm ein ehrenvolles Ruhegeld von monatlich 100 Rubel zu geben, freie Wohnung im Katharinen-Palast und den Orden ›Verdienter Arbeiter des Volkes‹. Der Stadtsowjet von Puschkin würde ihm die Medaille überreichen. Verwalter blieb Nikolaj Michajlowitsch Wachterowskij.
    »Hundert Rubel, das ist reichlich«, sagte Wachter, nachdem er den Brief gelesen hatte. »Zusammen mit freier Wohnung … da läßt's sich leben. Aber zu wenig ist's, um auf eigene Kosten das Bernsteinzimmer zu suchen.«
    Am Donnerstag vor Ostern 1946 heirateten Nikolaj und Jana Petrowna in der Schloßkapelle des Katharinen-Palastes nach griechisch-orthodoxem Ritus. Ganz altmodisch, obwohl Jana eine junge, gute Kommunistin war, aber die Liebe zu Kolka war stärker als ihre Ideologie. Sie standen vor einem Popen im Festgewand, vor einer Ikonostase, ein Männerchor von sechs Stimmen sang, und Wachter hielt über Janas geschmücktes Haupt die kleine Krone, so wie es üblich war, und während der Pope die Hochzeitssegnung vornahm, dachte er: Gewünscht hab ich es mir, diesen Tag im Bernsteinzimmer zu erleben. Auch Johann Friedrich Wachter, der Verwalter des Zimmers unter Zar Alexander II., hat dort seine Sophie geheiratet. Mein Großvater und meine Großmutter. Gott segne euch, meine Kinder … ein schöner Tag ist's und doch ein trauriger. Vier leere Wände verwalten wir, und keiner hört unsere Rufe. Er senkte den Kopf, als der Pope den Segen sprach.
    Der Bericht, den Captain Fred Silverman seinem Hauptquartier des OSS zusammen mit der Bitte um Entlassung aus dem Dienst vorlegte, wurde aufmerksam gelesen … das Abschiedsgesuch weggelegt und in der Personalakte abgeheftet. General Allan Walker rief ihn nach sieben Wochen Warten in sein Büro, begrüßte ihn mit Handschlag, deutete auf einen Ledersessel, ließ sich selbst in einen hineinfallen und schlug die Beine übereinander.
    »Sie wollen abhauen, Fred?« fragte er geradeheraus.
    »Das ist nicht der richtige Ausdruck, Sir.« Silverman straffte sich in seinem Sessel. »Ich glaube, ich habe meine Aufgaben erfüllt und möchte ins Zivilleben zurück.«
    »Das können Sie auch im Rahmen unserer Dienststelle, zum Beispiel als Botschaftsrat in einer unserer Botschaften. Nach Osten hin wird sich einiges tun. Noch spielen wir alle Ringelreihen und tun so, als seien die Beschlüsse von Jalta bindend, aber jeder weiß, daß es völlig anders kommen wird. Ich könnte Sie für die Botschaft in Ungarn vorschlagen, Fred. Später dann geht's an die Speerspitze: US-Botschaft Moskau! Reizt Sie das nicht?«
    »Nein, Sir.«
    »Die Mädchen von Budapest … jeder andere würde schon morgen hinfliegen.«
    »Ich bin nicht jeder andere, Sir, ich bin ich. Ich bitte um nichts Unerfüllbares: um meine Entlassung.«
    »Sie sind Offizier, Fred. Captain … Ihre Beförderung zum Major liegt auf meinem Tisch.«
    »Danke, Sir.«
    »Die USA befinden sich in einer prekären Situation. Wir haben mit Rußland den Krieg gewonnen,

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