Das Bernsteinzimmer
Ikonen und Gemälden, Gobelins und dem Schlafzimmer der großen Katharina mit den aus Holz geschnitzten und vergoldeten Penissen und Hoden.
Der Bernsteinwandfries des Rastrelli aber versank in das Geheimnis …
Drei Tage lang rief Gauleiter Koch im Städtischen Krankenhaus an und verlangte Schwester Jana zu sprechen, natürlich ohne Nennung seines Namens. Und dreimal geriet er an Frieda Wilhelmi, die ins Telefon donnerte: »Was wollen Sie von Jana? Wer sind Sie?!«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, legte Koch wieder auf. Eine harte Nuß, dachte er wütend. Aber ich knacke sie. Bisher habe ich immer bekommen, was ich wollte.
»Wieder die Erzsau!« sagte Frieda mit deutlichem Ekel nach dem dritten Anruf. »Ruft er noch mal an, werde ich sagen: Nur über mich … Herr Gauleiter! Da wird er den Schwanz einziehen!«
»Und wenn er das nun tut?« Jana lachte hell – gab es einen absurderen Gedanken?
»Was?« fragte Frieda verständnislos.
»Nur über mich …«
»Das sagst du mir?!« Frieda stemmte ihren Fleischturm aus dem Stuhl. »Du bist ein Wolf im Schafspelz! Du steckst ja voller Frivolität! Ein Chamäleon bist du … kannst die Farbe wechseln und gleichst dich deiner Umgebung an, bis du unsichtbar bist!«
»Vielleicht.« Jana war plötzlich ernst geworden. »Ich wünschte, ich wäre unsichtbar. Meine Schwesternhaube eine Tarnkappe, das wäre schön.«
Sie ist es ja, dachte sie. Sie ist eine Tarnkappe. Unter ihr lebe ich unsichtbar unter euch … niemand wird erfahren, daß ich Jana Petrowna Rogowskaja bin. Da hast du etwas Wahres gesagt, Frieda … ich werde wieder und wieder meine Farbe wechseln, um in der Nähe von Väterchen Michail und dem Bernsteinzimmer zu sein.
Am Montag verfiel Koch auf eine andere Idee. Er rief erneut im Krankenhaus an, ließ sich mit dem leitenden Chefarzt verbinden, nannte als Namen Bruno Wellenschlag, Abteilungsleiter des Schloßmuseums, erzählte etwas von einer Handverletzung, die sich ein Packer zugezogen habe, und bat um eine Schwester.
»Am besten Schwester Jana«, sagte Koch. »Sie war schon mal hier, sie kennt sich aus.«
»Ich schicke sofort einen Sanitäter los!« antwortete Dr. Pankratz.
»Danke. Schwester Jana, wie gesagt, kennt sich hier aus.«
»Am besten ist, Sie bringen den Verletzten hierher zu uns.«
»Wegen einer kleinen Handverletzung?« Es kostete Koch unsagbare Mühe, nicht loszubrüllen. Pankratz, dachte er. Stabsarzt Pankratz. Ich werde dafür sorgen, daß Sie an der Front dringender gebraucht werden als in Königsberg. Sie haben die längste Zeit Ihren Arsch an der Krankenhausheizung gewärmt!
»So einfach ist das nicht. War's ein rostiger Nagel, kann sich eine Blutvergiftung einstellen, ein Wundstarrkrampf, ein Wundbrand. Ich habe in den Feldlazaretten schon tolle Dinge gesehen …«
»Danke!« sagte Koch und legte auf. Dann hieb er mit beiden Fäusten auf seinen Schreibtisch und setzte sich in seinen Sessel. Dieser Pankratz kommt also von der Front, scheint schwer verwundet zu sein und ist nur noch heimatverwendungsfähig. Einen HVler zurück an die Front zu schicken, kann ein langwieriges Verfahren sein, aber man kann Dr. Pankratz in ein kleines Krankenhaus abschieben. Nach Rominten etwa oder Lyck. Auch an der Weichsel ist es schön – da kann er mit den Füchsen herumschnüren und im Winter mit den Wölfen heulen. Und Frieda Wilhelmi begraben wir als Oberschwester eines Irrenhauses. Da kann sie kommandieren, soviel sie will.
Jana, du masurische Wölfin, du entkommst mir nicht.
Er reckte sich etwas im Sitzen, griff wieder zum Telefon und rief Wellenschlag an. Wie immer nahm Wellenschlag eine straffe Haltung an, wenn Koch mit ihm sprach, auch wenn er ihn nicht sah, man konnte es an seiner Stimme erkennen.
»Bruno –«
»Gauleiter …«
»Du hast mir mal erzählt, daß du im Kaufhaus, in der Stoffabteilung, eine hübsche Verkäuferin gesehen hast.«
»Jawohl, Gauleiter. Emmi Sonnemann …«
»Noch so ein blöder Witz … und du fliegst an die Front!«
»Ich kann nichts dafür, Gauleiter, daß die Kleine genauso heißt wie die Frau des Reichsmarschalls Göring. Sie heißt wirklich Emmi Sonnemann.«
»Das wird ja ein doppeltes Vergnügen!« Koch lachte laut und schlug sich dabei auf die Schenkel. »Bring heute abend Emmi Sonnemann zu mir.«
Er prustete vor Lachen und hängte ein. Das müßte ich Göring mal erzählen. Ich hatte eine Emmi Sonnemann im Bett. Aber darin versteht der Dicke keinen Spaß mehr.
Am Abend zog Jana Petrowna
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