Das Beste aus 40 Jahren
ihr plötzlich eineinhalb Jahre ihres Lebens, überlegte Anastasia schockiert.
Ricos Mutter ließ sich schwer auf einen Stuhl sinken. „Hat meine Kleine das Gedächtnis für immer verloren?“, fragte sie entsetzt.
Rico zuckte die Schultern. „Die Ärzte können es noch nicht genau sagen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Erinnerung zurückkehren, aber niemand kann sagen, wann. Bis dahin ist das Wichtigste, dass die körperliche Genesung fortschreitet, die bisher erstaunlich gut verlaufen ist. Wenn es so weitergeht, kann Chiara in einigen Tagen nach Hause kommen, und das ist eigentlich ein kleines Wunder.“
Seine Mutter lächelte strahlend. „Wie schön! Nimmst du sie zu dir in die Villa?“
„Natürlich. Chiara braucht vor allem Ruhe, und die hat sie dort. Ich werde alles so arrangieren, dass ich meine Geschäfte von der Villa aus erledigen und mein Schwesterchen im Auge behalten kann. Du, mamma , bleibst besser in deinem Haus und besuchst uns nur ab und zu. Wir wollen doch nicht, dass du zu viel Aufhebens um Chiara machst, richtig?“
„Wenn du meinst …“ Widerstrebend nickte sie und gab wie üblich nach. „Du weißt ja, was am besten ist.“
Zu Beginn ihrer Ehe hatte es Anastasia verblüfft, zu sehen, wie sehr seine Angehörigen sich in allem und jedem auf ihn verließen. Später hatte es sie rasend gemacht. Konnten denn die alleinstehenden Frauen seiner Verwandtschaft keine eigenen Entscheidungen treffen? Irgendetwas ohne seine Erlaubnis tun?
Ein Blick auf die Armbanduhr sagte ihr, dass es sehr früh am Morgen war. Bald würde es dämmern.
Zeit, nach Hause zurückzukehren!
„Jetzt werde ich hier ja nicht länger gebraucht“, wandte sie sich an Rico und versuchte, nicht daran zu denken, dass sie ihn womöglich zum letzten Mal sah. Von nun an würde er wieder mittels der Anwälte Kontakt mit ihr aufnehmen, und das nur, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließ.
Der Gedanke machte sie sehr traurig, und sie musste sich zwingen, sich Rico nicht an den Hals zu werfen.
„Ich fürchte, es ist komplizierter, als du denkst.“ Er sah so aus, als wäre er mit einer nahezu unerträglichen Lage konfrontiert. „Chiara glaubt, wie du selbst gehört hast, wir beide wären noch in den Flitterwochen … also glücklich verheiratet.“
„Ja und?“ Sie atmete tief durch. „Dann musst du ihr eben, sobald es ihr besser geht, mitteilen, dass wir mittlerweile getrennt leben.“
Aber nicht den Grund dafür, fügte sie im Stillen hinzu. Was damals wirklich geschehen war, wussten nur sie und Chiara – und die hatte die Erinnerung daran verloren.
„Nein, das geht nicht“, widersprach Rico schroff. Er wirkte wie jemand, der zwischen Hammer und Amboss geraten war. „Sie darf doch keine Schocks erleiden. Keinen Stress haben.“
Anastasia lachte zynisch auf. „Das Ende unserer Ehe hat Chiara nicht unbedingt schwer getroffen, oder? Besser gesagt, sie war begeistert darüber. Sie wird schon keinen Rückfall erleiden, wenn du es ihr sagst.“
Rico sah ihr in die Augen, und plötzlich war es, als wären sie allein im Raum, nur damit beschäftigt, ihren Willen zu messen.
„Zu unserem Pech lebt Chiara jetzt in der Vergangenheit. Als wir noch glücklich waren, Anastasia“, fügte er grimmig hinzu.
Ihr Herz begann, wie rasend zu pochen. „Und was schlägst du vor?“ Sie war so nervös, dass sie sarkastisch wurde, um es zu verbergen. „Willst du ‚glückliches Eheleben‘ spielen? Mir den Ring wieder an den Finger stecken?“
Nach einer scheinbar endlosen Pause seufzte Rico schwer. „Ja. Wenn uns nichts anderes übrig bleibt.“
5. KAPITEL
Mit allem hatte Anastasia gerechnet, nur nicht mit dieser Antwort.
„Du machst Witze, oder?“, fragte sie schließlich unsicher.
„Sehe ich so aus?“, erwiderte Rico wütend. „Die Unterlagen für die Scheidung sind beinah fertig. Meinst du, ich würde die nur zum Spaß noch länger hinauszögern?“
Wenn er sie hatte verletzen wollen, war ihm das ausgezeichnet gelungen.
Sogar seine Mutter schien über seinen Mangel an Takt erstaunt zu sein.
Rico fluchte leise und rieb sich den Nacken. „Das war eine völlig unnötige Bemerkung. Ich möchte mich entschuldigen.“
„Wofür? Dass du nun mal du selbst bist?“ Anastasia hob stolz den Kopf, ihr Haar glänzte im kalten Licht der Deckenlampen wie frisch poliertes Kupfer. Um nichts in der Welt hätte sie sich anmerken lassen, dass er noch immer die Macht hatte, ihr wehzutun. „Jedenfalls beweist deine
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