Das Beste aus 40 Jahren
Naht sehen konnte, die sich quer über seinen flachen, braunen Bauch zog.
Kein Laut kam aus ihrer Kehle. Sie schwieg erschüttert, starrte auf die Narbe und stellte sich vor, wie es gewesen sein musste, als es geschah. Um ein Haar hätte der Stier ihn zerfleischt.
Manoel betrachtete sie lange und ausdruckslos. Sie trug hellblaue Baumwollhosen und einen tief ausgeschnittenen, langärmeligen Pullover. Ihr langes seidenschwarzes Haar fiel offen über ihren Rücken. Sie sah überaus anziehend aus.
Auf einmal ertrug Dianne es nicht länger. Mit einem erstickten Aufschrei lief sie die wenigen Schritte zum Bett, sank in die Knie und vergrub das Gesicht an seiner braunen Schulter. Sie spürte, wie er einen Moment in Abwehr erstarrte und dann die Arme hob, um sie wegzustoßen. Als seine Hände jedoch ihre bloße Haut berührten, blieben sie darauf liegen. Er griff fester zu und zog sie quer über das Bett.
„Warum bist du gekommen?“, stöhnte er, drängte sie in die Kissen und rollte sich herum, sodass er halb über ihr lag. Dann begann er, sie wild und verzweifelt zu küssen.
Dianne konnte nicht antworten, sie klammerte sich nur an ihn, als wolle sie ihn nie wieder loslassen. Ein Taumel erfasste Manoel.
Mit beinahe übermenschlicher Anstrengung riss er sich von ihr los, richtete sich auf und blickte auf sie hinunter.
„Wir müssen miteinander reden!“, sagte er gepresst, als sie aber nur stumm seinen Blick erwiderte und sich nicht regte.
„Mmm.“ Dianne fuhr mit dem Finger zärtlich über die Narbe, und Manoel fing ihre Hand auf und hielt sie fest.
„Dianne, hör mir zu, sei vernünftig! Glaubst du denn, ich will es sein, und mir fiele es leicht? Aber weißt du wirklich, was du tust?“ Seine Augen wurden dunkel. „Würdest du mir nicht lieber sagen, warum du hier bist?“
Sie strich sich das Haar glatt und antwortete ruhig: „Ich möchte nur etwas wissen, Manoel. Warum bist du in London zu mir gekommen?“
Manoels Miene verhärtete sich. „Das weißt du doch.“
„Nein, ich weiß es nicht. Ich dachte – ich meine, drei Jahre lang dachte ich, du hättest mich verlassen, wolltest nichts mehr von mir wissen –“
„Ja, ich weiß, Yvonne hat es mir gesagt.“ Manoel setzte sich auf und ließ die Schultern nach vorn fallen. „Deshalb bin ich zu dir gekommen. An jenem Abend in London wollte ich Klarheit schaffen, wenn – wenn wir nicht gestört worden wären.“
„Ich verstehe. Yvonne hat mir vorgestern gesagt, dass du mit ihr Schluss gemacht hast. Deshalb bin ich hier.“
Manoels Miene blieb verschlossen und abweisend. „Warum? Um dort anzuknüpfen, wo wir vor drei Jahren aufhörten? Du hast jetzt andere Verpflichtungen, vergiss das nicht.“
„Und mit diesen andern Verpflichtungen willst du mich nicht mehr? Ist es das?“ Dianne sah ihn mit einem festen Blick an.
Manoel fuhr sich mit der Hand durch das Haar. „Oh Gott, ich weiß nicht mehr, was ich will. Ich dachte, ich könnte es nicht ertragen, als ich erfuhr, dass du ein Kind hast. Aber nun, wo du hier bist, frage ich mich, ob ich es ertragen kann, dich wieder gehen zu lassen.“ Er verzog den Mund. „Was für ein Zugeständnis, nicht wahr? Zumal du früher nie den Versuch gemacht hast, mich zu sehen, und erst kamst, als du etwas von mir wolltest.“
Dianne zögerte einen Augenblick. „Warte eine Sekunde. Ich – ich möchte dir etwas zeigen“, sagte sie dann.
Manoel runzelte die Stirn. „Was denn?“
„Warte ab.“
Er ließ den Kopf sinken. „Gut“, sagte er, „ich warte.“
Dianne warf ihm einen letzten Blick zu und verließ dann das Zimmer. Der Korridor war noch immer leer, und sie fragte sich, wo Madame St. Salvador sein mochte. Doch dann verdrängten ihre Gefühle alle Gedanken und Rücksichten.
Jonathan lag noch auf dem Rücksitz des Wagens, doch er war wach und weinte leise vor sich hin. Als er Dianne erblickte, leuchtete sein Gesichtchen auf, und sie nahm ihn zärtlich auf den Arm.
Sie trug ihn ins Haus. Er lief noch ziemlich langsam, und sie konnte es jetzt kaum mehr erwarten, Manoel seinen Sohn zu zeigen. Als sie die Tür seines Zimmers aufstieß, hatte er das Bett verlassen, eine dunkle Wildlederhose angezogen und war eben dabei, sich das weiße Seidenhemd zuzuknöpfen.
Als sie eintrat, fuhr er herum, erblickte das Kind auf ihrem Arm und sagte heiser: „Um Himmels willen, Dianne, wofür hältst du mich?“
Dianne antwortete nicht. Sie stellte Jonathan, der sich sofort mit lebhafter Neugier im Zimmer
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