Das Beste aus 40 Jahren
weigerte, mit ihr über Männer zu sprechen. Das bedeutete ja nicht, dass sie keine Männerfreundschaften hatte, und schon gar nicht, dass sie nicht ehrlich und tief empfinden konnte.
Tief und ehrlich? Was versuchte sie sich vorzumachen? Bisher war sie noch nie richtig verliebt gewesen. Das Gefühl absoluter Hingabe war ihr fremd. Judith hatte recht, sie konnte sich nicht vorstellen, was Judith für Jason Dillman oder irgendeinen anderen Mann empfand.
„Ich trenne mich nicht von Jason, Nina“, begann Judith noch einmal. „Du kannst machen, was du willst, und Adrian Thornton auch. Ich werde Jason nicht aufgeben.“ Judith riss die Tür auf und verließ das Büro.
Nina lehnte sich zurück und legte die Hände an die Schläfen. Sie kannte Judith und wusste, sie würde sich weiterhin mit Jason Dillman treffen. Was kam auf sie zu, wenn Adrian Thornton es erfuhr? Dann war Judith nicht mehr zu helfen.
Heute Morgen beim Gespräch mit Adrian Thornton hatte sie noch nicht gewusst, dass Tracy Dillman Adrians Schwester war. Du lieber Himmel, musste er wütend gewesen sein. Unter diesen Umständen war die Drohung mit der Vertragskündigung noch milde im Vergleich zu dem, was er gegen sie hätte unternehmen können. Und was er durchaus noch unternehmen konnte. Judith hatte sich geweigert, mit Jason zu brechen, also war das Ende der Faulkner-Agentur durchaus vorgezeichnet.
Doris kam herein. Sie hatte Berichte in der Hand.
„Judith hat sich schlecht benommen, nicht wahr?“
„Ja, ziemlich“, seufzte Nina.
Doris wollte von dem Thema ablenken. „Sag mal, wie ist Adrian Thornton?“
„Arrogant“, erwiderte Nina, ohne nachzudenken. Sie errötete, als sie Doris’ fragende Blicke sah. „Er ist es wirklich“, setzte sie mit komisch verzogenem Gesicht hinzu.
„Passt sein Äußeres zu der tollen, dunklen Stimme?“
„Ja, das könnte man sagen“, meinte Nina so gleichgültig wie möglich. „Doris, bitte, wenn er anrufen sollte, sag ihm, ich bin nicht da.“
„Schwierigkeiten wegen Judith?“
„Ja.“
Doris zögerte einen Moment. „Sie ist deine Schwester, Nina, ich weiß. Aber ist sie es wirklich wert, dass du dich über sie so aufregst?“
„Nein, das ist sie nicht. Ich muss aber an meine Eltern denken. Sie haben leider keine Ahnung, was Judith so treibt.“
„Kann ich helfen?“
„Nein, Doris. Vielen Dank.“ Sie musste mit dem Problem allein fertigwerden. „Wenn du mir nur Adrian Thornton in den nächsten Tagen vom Leibe hältst.“
„Das verspreche ich.“ Doris ging zur Tür. „Ich mache jetzt Mittagspause. Muss doch mal nachsehen, wie es meinem armen kranken Mann geht.“
Sie lachte. „Wie alle Männer, die ein Wehwehchen haben, wird er sicher schon halb tot sein.“
Nina lachte mit, doch der Anflug von Humor war sofort wie weggeblasen, als Doris gegangen war.
Der Tag hatte so vielversprechend begonnen. Warum war nur alles schiefgegangen? Da lagen auch noch die Rechnungen. Missmutig nahm Nina die Unterlagen aus dem Schreibtisch. Der Gedanke an Mittagessen war ihr vergangen.
Erst nach sechs Uhr kam sie nach Hause. Hier war es friedlich und kühl. Das geräumige Wohnzimmer hatte sie behaglich eingerichtet, das Schlafzimmer in Weiß und Goldgelb. Dazu die praktische kleine Küche und das Bad. Die Wohnung war nicht groß, aber hier fühlte sie sich wohl. Hier konnte sie sie selbst sein.
Vor Doris war sie äußerlich ruhig geblieben, doch der Tag hatte sie angestrengt. Vor allem, weil Adrian Thornton kurz vor fünf noch einmal angerufen hatte.
„Er war nicht gerade erfreut, als ich ihm sagte, dass du nicht da bist“, hatte Doris mit einem zwinkernden Auge berichtet.
Wie wird er sich verhalten, wenn ihm das in den nächsten Tagen öfter passiert? Adrian machte nicht den Eindruck eines ruhigen Menschen. Im Gegenteil, Nina hielt ihn für herrschsüchtig und unduldsam. Wie lange konnte sie ihn noch hinhalten, ihre Agentur ungeschoren zu lassen?
Allerdings wusste sie auch nicht, was sie mit Judith machen sollte. Sie konnte sie nicht zwingen, Jason aufzugeben, selbst wenn die Agentur die Folgen zu tragen hatte. Bevor sie nicht zu einer Lösung gekommen war, konnte sie mit Adrian Thornton nicht sprechen.
Nach einem warmen Bad fühlte sie sich besser. Dann wählte sie ein Kleid für den Abend aus, denn sie war mit Lester verabredet. Sie hatten sich vor einigen Monaten im Lift des Bürohauses kennengelernt. Lester arbeitete ein paar Stockwerke höher in einer Finanz- und Anlagefirma. Als er sie
Weitere Kostenlose Bücher