Das Beste aus 40 Jahren
eines Abends zum Essen einlud, hatte sie nach kurzem Zögern zugesagt.
Sie fand Lester sympathisch. Sein gutes Aussehen, seine korrekte Kleidung gefielen ihr. Er hatte schwarzes Haar und warme braune Augen. Da der erste Abend harmonisch verlief, folgten weitere gemeinsame Abende.
Nina dachte an Judiths Bemerkung. Nicht, dass sie glaubte, Lester könnte ein schlechter Liebhaber sein. Er hatte nur bisher kein Feuer in ihr entzünden können. Allerdings, das hatte überhaupt noch keiner zustande gebracht. War sie am Ende frigid?
Freundlich erwiderte sie Lesters Begrüßungskuss, als er kurz vor acht Uhr erschien. Er war immer sehr pünktlich.
„Du siehst hübsch aus.“ Er lächelte sie an. „Ich habe einen Tisch für acht Uhr fünfzehn bestellt.“ Dabei sah er auf seine Armbanduhr. „Wir müssten also gleich gehen.“
Auch Lesters Pünktlichkeit gefiel ihr. Wenn er es zugesagt hatte, rief er genau zur abgemachten Zeit an. Seine Verabredungen hielt er auf die Minute ein.
Es gab ihr ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit. Nachdem sie den ganzen Tag die Chefin war und allein entscheiden musste, tat es gut, einmal nur Frau zu sein und in Gesellschaft eines Mannes alles ihm zu überlassen. Nur eines gefiel ihr nicht. Lester versuchte manchmal, ihr vorzuschreiben, wie sie ihr Geschäft führen solle.
So auch heute. Er fragte sie, wie der Tag gewesen sei, und als sie Judith erwähnte, verfinsterte sich seine Miene.
„Ich verstehe nicht, Nina, warum du dich noch um sie sorgst“, sagte er. „Sie ist es nicht wert.“
„Judith ist meine Schwester.“
„Aber Geschäft ist Geschäft“, bemerkte er mit Nachdruck. „Familienangelegenheiten haben damit nichts zu tun.“
Judith war der wunde Punkt. Nina vermied es sonst immer, über sie zu sprechen. Aber mit irgendjemand musste sie über die letzten Ereignisse reden. Lester war ihr Freund, sie teilten so viele Dinge, warum nicht auch die Probleme?
Lester gab nur einen missbilligenden Laut von sich, als sie ihm von ihrem Zusammentreffen mit Adrian Thornton berichtete. „Judith weigert sich kategorisch, die Affäre mit Jason Dillman zu beenden.“
„Typisch“, meinte er. „Thornton sollte sie rauswerfen.“
Nina seufzte. Sie trank einen Schluck Wein. Lester war ein Weinkenner. Diesen hatte er mit Sorgfalt ausgewählt. Für Nina war er im Augenblick wie Wasser. Lester wäre beleidigt gewesen, hätte er es geahnt.
„So einfach ist das nicht.“ Nina schüttelte den Kopf. Sie schob den Salatteller von sich. „Meine Eltern verlassen sich darauf, dass ich auf Judith aufpasse.“
Lester verzog das Gesicht. „Das müsste ein Ehemann tun, nicht die Schwester. Aber so, wie Judith sich aufführt, wird sie wohl keinen finden, höchstens den einer anderen Frau.“
Die Kritik war berechtigt, dennoch störte sie Lesters Sarkasmus. Sie hatte seine Eltern und seinen älteren Bruder kennengelernt. Der Vater stand unter dem Pantoffel, und auch die Söhne hatten unter der herrischen Mutter nicht viel zu sagen. Niemals wäre es Nina eingefallen, dieses Familienleben Lester vorzuwerfen.
„Es wird Zeit, dass Judith sich auf eigene Füße stellt“, fuhr Lester fort, ohne zu merken, wie Nina sich immer mehr in sich selbst zurückzog. „Die meiste Zeit tut sie ja ohnehin, was sie will. Nur wenn sie in Schwierigkeiten ist, kommt sie zu dir gerannt.“
„Sie ist nicht in Schwierigkeiten. Und sie ist auch nicht zu mir gekommen. Ich sagte doch, Adrian Thornton hat mich zu sich gerufen.“
„Mit dem leg dich auf keinen Fall an, Nina.“ Wie gut Nina das selber wusste. „Kennst du ihn?“
„Ich habe von ihm gehört. Ab und zu lese ich etwas über seine Firma im Finanz-Anzeiger. Er ist ein gewitzter Bursche.“
„Wohl kaum ein Bursche“, wehrte Nina ab.
„Vielleicht nicht. Was ich sagen will, TCBA ist eine der größten Kosmetikfirmen Amerikas. Adrian Thornton ist ein glänzender Geschäftsmann und schwimmt im Geld. Es war der reinste Glücksfall, dass du einen Vertrag mit seiner Gesellschaft bekommen hast.“
„Das war kein Glücksfall, Lester. Mir ist nichts in den Schoß gefallen. Ich habe hart dafür gearbeitet.“
Leider konnte sie nach den letzten Ereignissen gar nicht mehr so sicher sein, dass sie es tatsächlich aus eigener Kraft geschafft hatte. Jason Dillman hatte sich das Album mit ihren Modellen angesehen und sich dann entschieden, das „Beauty-Girl“ aus ihrer Agentur zu nehmen. Damals hatte sie es noch für ganz normal gehalten, dass er dann
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