Das Beste aus 40 Jahren
die Damen persönlich kennenlernen wollte.
Die Liebesaffäre mit Judith brachte ein neues Licht in die Angelegenheit. Eine so kleine Agentur wie die ihre, auch wenn sie exklusive Modelle hatte, war kaum attraktiv genug, um mit einer Weltfirma wie ‚Thornton‘ ins Geschäft zu kommen. Nina hatte das ungute Gefühl, Jason habe sich in Judith verliebt, was seine Auswahl beeinflusst hatte.
„Ich weiß.“ Lester legte verständnisvoll seine Hand auf die ihre. „Und es wäre jammerschade, wenn dir durch Judith dieses Geschäft verloren ginge. Sie kann sich doch nicht mit Thorntons Schwager einlassen.“
„Das hat sie bereits.“
„Dann verbiete es ihr.“
„Wie denn? Ich habe ihr schon gesagt, wie wütend Adrian Thornton ist. Es hat sie kaum beeindruckt.“
„Vielleicht könntet ihr, ich meine, Thornton und du, die Sache einmal von einem anderen Standpunkt aus betrachten“, überlegte Lester. „Dieser Jason Dillman scheint doch geldgierig zu sein, könnte man ihn nicht unter Druck setzen?“
Warum hatte Thornton daran noch nicht gedacht? Oder hatte er keinen so großen Einfluss auf seinen Schwager? Natürlich hatte er das, er war der Boss. Es war also seine Pflicht, Jason zu stoppen. Ich sollte mir wirklich nicht so viel Sorgen machen, dachte Nina. Sie lächelte Lester zu und wechselte das Thema. Mit dem Problem Adrian Thornton würde sie sich morgen weiter auseinandersetzen.
Nina forderte Lester auf, von seiner Arbeit zu erzählen. Wie leicht er mit Zahlen umgehen konnte, das bewunderte sie immer wieder. Ihr wurden Zahlen stets zum Albtraum. „Du solltest mein Buchhalter werden“, sagte sie scherzhaft.
„Ich glaube kaum, dass du dir mein Gehalt leisten könntest“, erwiderte er ernst. „Macht es dir wirklich Freude, diese Agentur zu leiten? Es sieht doch so aus, als hättest du nur Schwierigkeiten.“
„Schwierigkeiten gibt es überall, Lester. Ich liebe meine Arbeit. Für mich bedeutet das Unabhängigkeit.“
Lester rückte ihr auf dem Sofa etwas näher. Sie waren in Ninas Wohnung zurückgekehrt und tranken noch einen Kaffee.
„Ich fände es schöner, du wärst nicht so unabhängig“, sagte er leise. „Ein wenig abhängig von mir könntest du schon sein.“
Nina lachte nervös. Diese Art Unterhaltung behagte ihr nicht. „Du magst wohl keine Karrierefrauen?“
„Nicht sehr.“ Er versuchte, sie an sich zu ziehen, doch sie rückte wieder von ihm ab. „Wirklich, Nina, ich mag diese Typen nicht. Wenn ich mal heirate, möchte ich eine Frau, die nur meine Frau und die Mutter meiner Kinder ist.“
„Wäre das nicht etwas langweilig für – deine Frau?“, spottete Nina und stellte sich vor, Mrs Fulton zu sein.
„Das glaube ich nicht“, sagte er beleidigt. „Warum lachst du?“
Wenn sie nicht lachte, hätte sie weinen müssen. Diese Unterhaltung war ihr wirklich zu anzüglich geworden. Die brave kleine Frau, die immer daheimsaß und für ihn und seine Kinder sorgte, sollte wohl sie sein. Nina fand ihn nett, doch die Vorstellung, eine Ehe mit ihm zu führen, war schauderhaft.
„Ich scherze doch nur, Lester“, lächelte sie. „Ich bin sicher, die Frau, die du dir einmal aussuchst, wird glücklich sein, dich und deine Kinder zu betreuen.“ Nina stand auf. „Es ist spät geworden.“
Höflich erhob er sich ebenfalls. Er hatte keine Ahnung, wie sehr er sie in Schrecken versetzt hatte mit seinem Familienidyll. „Essen wir morgen Mittag zusammen?“
„Ja, gern“, stimmte Nina zu. Sie wusste, dass sie diese Freundschaft behutsam beenden musste, damit er ihre Furcht vor einer engen Bindung nicht bemerkte. Lester beugte sich vor und gab ihr einen sanften Kuss auf den Mund.
„Um zwölf Uhr dreißig?“
„Passt mir gut“, nickte sie und begleitete ihn hinaus. Erleichtert ließ sie sich danach auf einen Sessel fallen. Was für ein Tag. Das aufregende Treffen mit Adrian Thornton, ihre aufsässige Schwester, und nun hatte sie auch noch herausgefunden, dass ihr Freund Lester ein verkappter Kleinbürger war.
Und der morgige Tag versprach nicht weniger aufregend zu werden.
Überraschenderweise verliefen die ersten Vormittagsstunden reibungslos. Sie hatte einige Verabredungen mit Kunden, die ihr jetzt besonders wichtig schienen, weil sie fürchten musste, der Vertrag mit Thornton Cosmetics könnte gekündigt werden.
Von Adrian hörte sie nichts, und selber anzurufen, das schob sie weit von sich. Nein, sie wollte den Frieden genießen, solange es möglich war.
Kurz nach elf Uhr
Weitere Kostenlose Bücher