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Das Beste aus meinem Leben

Das Beste aus meinem Leben

Titel: Das Beste aus meinem Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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Fluchte. Schrie. Hinter mir stand ein weiteres Auto. Dem Halbstarken war es egal. Er ließ es drauf ankommen. Schaltete seinen Motor aus. Es war eine der Situationen, in denen man den Gang einlegen und Gas geben müsste. Vor und zurück. Vor und zurück. Sein Auto und das eigene zertrümmern. Sein blödes Gesicht genießen. Die Türverriegelung schließen. Ihn toben lassen. Lachen. Auf die Polizei warten. Alles bezahlen. Alles in Kauf nehmen – für diesen Moment unwiederholbaren Vergnügens.
    Aber ich tat etwas anderes. Um das zu erklären, muss ich eine Geschichte erzählen. Sie geht so: Oft will Luis neuerdings Schach spielen. Er kann fast alle Züge, weiß, wie der Turm sich bewegen muss, der Läufer. Aber natürlich verliert er trotzdem. So schlecht Schach spielen kann nicht mal ich, dass ich gegen einen Sechsjährigen verlöre. Manchmal bekommt der Luis, wenn er verloren hat, einen Wutanfall, wirft das Schachbrett auf den Boden, rennt aus dem Zimmer, schmeißt sich aufs Bett und brüllt: »Immer muss ich verlieren, immer musst du gewinnen, nie gewinne ich, nie, nie, nie!!!«
    Das erinnert mich an eine Karikatur, die ich mal irgendwo sah. Da sitzen zwei Männer vor einem Schachbrett. Der eine sagt: »Wie soll ich mit Ihnen Schach spielen, wenn Sie mir meine ganzen Figuren wegnehmen?«
    Luis schreit also und schreit. Paola eilt, um ihn zu trösten. Ich eile auch, um ihn zu trösten. Wir reden mit ihm über das Verlieren und das Wuthaben und darüber, wie sauwütend Luis vor Monaten war, als er seine Plüschrobbe im Kindergarten vergessen hatte und sie am nächsten Tag im Mülleimer wiederfand, wohin sie der Rudi geworfen hatte. Genau wusste niemand, ob es der Rudi gewesen war. Aber Luis hatte ihm vorsichtshalber eine reingehauen. Natürlich hatte Rudi zurückgehauen. Darüber redeten wir jetzt. Paola sagte zu Luis, wenn man so eine schreckliche Wut habe, sei es am besten, man gehe, beruhige sich, warte, dass die Wut kleiner werde – statt zuzuhauen oder das Schachbrett auf den Boden zu werfen.
    Am Tag nach diesem Gespräch war ich mit Luis auf dem Spielplatz. Rudi war auch da. Ich sah, dass die beiden Streit bekamen. Aber sie prügelten sich nicht. Luis rannte zu einem Sandkasten in der Ecke, setzte sich auf eine Bank und blieb zehn Minuten dort. Dann kam er zurück. Und spielte weiter.
    »Was hast du da hinten gemacht, Luis?«, fragte ich.
    Luis sagte: »Ich hatte eine große Wutbombe im Bauch, und ich hatte Angst, dass sie explodiert. Da habe ich mich eine Weile hingesetzt und habe mir lauter Liebesraketen vorgestellt. Die habe ich auf die Wutbombe abgeschossen, bis sie kaputt war und nicht mehr explodieren konnte. Als die Liebesraketen die Wutbombe zerstört hatten, bin ich zurück gekommen und habe weitergespielt.«
    Daran dachte ich jetzt, als ich im Auto saß. Ich dachte an die Wutbombe in meinem Bauch. Ich beschoss sie mit Liebesraketen, bis sie nur ein Haufen Schrott war. Dann stieg ich aus dem Auto, bat den Fahrer des Wagens hinter mir, zurückzusetzen, setzte selbst bis zum Ende der Straße zurück und ließ den Fahrer des aufgemotzten, tiefer gelegten Ford vorbei. Ich war ruhig. Gelassen. Absolut wutbombenfrei.
    Als der Ford genau neben mir war, sah ich, dass der Halbstarke die Fensterscheibe unten hatte. Er hatte den Ellenbogen ins Fenster gelegt und grinste mich an.
    Ich griff nach rechts auf den Beifahrersitz, wo Luis seine Wasserpistole liegen gelassen hatte, sandte einen fetten Strahl mitten ins dämliche Grinsen des Halbstarken und fuhr davon.

Entscheidungsschwach, ach!
    D as Leben ist voller Weggabelungen, ständig muss man sich entscheiden: links, rechts, Mitte, stehenbleiben, zurück oder mit dem Kopf durch die Wand? Frühmorgens: Kaffee, Tee? Semmeln, Toast? Kein Problem an manchen Tagen, doch an anderen – huuuuh. An anderen Tagen bin ich so entscheidungsschwach, dass ich abends noch in der Küche stehen könnte, und wenn spät Paola käme und fragte, was ich tue, müsste ich sagen: Ich überlege, ob ich Kaffee oder Tee zum Frühstück trinken soll.
    Das kannst du dir doch morgen früh überlegen, würde sie sagen.
    Nein, antwortete ich, es geht um das Frühstück von heute. Konnte mich nicht entscheiden.
    An so einem Tag saß ich mal mit einer Frau im Kaffeehaus. Sie fragte: Bist du gerne ein Mann?
    Ich verfiel in tiefes Grübeln über die Vorzüge des Mannseins und des Frauseins. Antwort gab ich nicht. Wenn ich vor meiner Geburt an einem solchen Tag hätte entscheiden müssen, ob ich

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