Das Beste aus meinem Leben
sagte ich.
»Andererseits stand er einfach auf der Straße«, sagte Paola. »Wir haben ihn nicht bei Aldi weggenommen. Wir wissen nicht mal, wo Aldi ist. Wir sind nicht verpflichtet, den Wagen durch die halbe Stadt zu Aldi zu bringen.«
»Man kann ihn nicht einfach behalten«, sagte ich.
»Stell ihn wieder auf die Straße!«, sagte sie.
»Jetzt haben ihn schon alle vor unserer Tür gesehen«, sagte ich. »Vielleicht werden wir mal wieder irgendwo eingeladen. Dann bringe ich dich mit dem Wagen hin.«
»So was ist nur einmal lustig«, sagte sie.
»Ich bringe ihn zu Aldi«, sagte ich. »Irgendwann. Bald.« Ein paar Tage später fuhr ich Einkäufe aus dem Auto, das in der Garage stand, mit dem Aldiwagen im Lift nach oben. Noch später brachte ich Gepäckstücke, die ins Auto mussten, mit dem Aldiwagen in die Tiefgarage. Da ließ ich ihn dann. Er steht noch dort.
Ich habe ein schlechtes Gewissen. Demnächst werde ich den Wagen wegbringen. Neulich habe ich eine Aldi-Filiale im benachbarten Stadtviertel entdeckt. Da fahre ich ihn hin. Mache eben einfach einen Spaziergang da vorbei.
Spätestens in dreißig Jahren.
Malcolm, you sexy thing!
K ürzlich las ich ein sehr witziges Buch von Rainer Moritz über den deutschen Schlager. Der Autor erzählte von einem Lied, das Freddy Quinn sang: Abschied vom Meer . Er hörte als Kind oft die dunklen Verse: »Abschied vom Meer, von Wolken, von Winden, von Sternen… von Häfen, von Flaggenhof im Wind, von Kameraden, die unvergessen sind.« Lange sann der Knabe Moritz über das zauberhafte Substantiv »Flaggenhof« und die Frage nach, was ein »Flaggenhof« sei, bis er, Jahre später, beim Wiederhören erkannte, dass Freddy gar nicht von einem »Flaggenhof im Wind« gesungen hatte. Sondern von »Flaggen hoch im Wind«.
Als ich zur Grundschule ging, mussten wir ein Lied lernen, das uns die Lehrerin zu diesem Zweck mehrmals vorsang. Darin war von einem Boot die Rede, das im Wind trieb, steuerlos. Im Refrain die Zeile: »…hat ein Ruder nicht dran.« Wir sangen das Lied, ich sang besonders laut, ohne mir Gedanken über den Text gemacht zu haben. Als wieder mal der Refrain dran war, machte die Lehrerin ein Zeichen, alle hörten auf singen, bloß ich, der ich das Zeichen im Eifer übersehen hatte, sang allein, nein, ich schmetterte das Liedlein, und zwar schmetterte ich, das im Sturm treibende Schifflein betreffend, die Worte: »…hat ein Bruder nicht dran.«
»Was singst du da?«, fragte die Lehrerin.
»… hat ein Bruder nicht dran«, wiederholte ich. Erst in diesem Moment verstand ich, was für ein Nonsens das war. Aber da lachten alle schon. Auch die Lehrerin.
Bloß ich nicht.
Ich habe nie mehr ohne eingehende Textprüfung gesungen. Aber neulich sang Paola. Sie tanzte im Flur und sang einen alten Hit von Hot Chocolate , der geht so (besser: sie sang ihn so): »I believe in nuckles, since you came along, you sexy thing.« Paola singt sehr schön, ich liebe es, wenn sie singt. Ihre gute Laune steckte mich an. Ich stimmte ein und sang: »I believe in Malcolm…«
»Was singst du da?«, fragte Paola.
»I believe in Malcolm«, sagte ich.
»So heißt es nicht«, sagte sie. »Was singst du denn?«, fragte ich.
»I believe in nuckles. So heißt es aber auch nicht. Ich weiß bloß nicht, wie es richtig heißt«, sagte sie.
»Was heißt nuckles ?«, fragte ich.
»Knöchel«, sagte sie.
»Ach so, knuckles «, sagte ich. »›Ich glaube an Knöchel‹, soso, aha. Ich hatte nuckles verstanden. Was heißt das?«
»Das gibt es nicht, glaube ich«, sagte sie.
Ich gab in meinen Computer das Suchwort nuckles ein und lernte, dass Frankie Nuckles ein DJ in Chicago war und dort 1977/78 in einer Discothek namens The Warehouse den House erfand. Nuckles war der Gründervater des Techno. Dann gab ich die Suchwörter I believe in Malcolm ein. Da kamen mehrere Seiten, auf denen es ausschließlich um falsch verstandene Songs ging, nämlich www.kissthisguy.com und www.amiright.com . Ich lernte, dass die Zeile in unserem Song in Wahrheit lautete: »I believe in miracles, since you came along, you sexy thing.«
Es waren aber zahlreiche Beispiele aufgeführt, wie das Lied schon missverstanden worden war: I believe in milkbones, in milk-rolls, in milkos, in milkballs, in Melcho, in mecos, in Myrtle. Am besten gefiel mir: »I believe in miracles, since you came along, you saxophone.«
Ach, Malcolm. You sexy thing.
Den Rest des Abends verbrachten Paola und ich vor dem Bildschirm, tausende von
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