Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
…« Annie brach ab und drückte meine Hand. Dann sah sie mir in die Augen und sagte langsam: »Es tut mir so leid.« Sie ließ ihre Worte kurz sacken und fuhr dann fort: »Ehrlich gesagt verstehe ich nicht, warum du Wes nichts davon erzählt hast. Er liebt dich und würde alles für dich tun, das merkt man sofort. Er hätte dir in dieser schweren Zeit zur Seite stehen können.«
Es war nicht leicht, Annie meine Beweggründe zu erklären, wo sie mir doch selbst ein Rätsel waren. »Bislang ist mein Leben immer so glatt verlaufen. Die Dinge sind mir einfach nur so zugeflogen«, sagte ich. »Und so hat Wes mich auch kennengelernt – als eine Frau, der alles leichtfällt, die alles unter Kontrolle hat. In diesen Menschen hat er sich verliebt. Und jetzt … habe ich mich völlig verändert. Ich bin nicht mehr die, die ich einmal war. Mein Körper … hat versagt. Vielleicht werde ich nie Kinder bekommen können. Ich weiß es nicht. Natürlich sind Fehlgeburten in den ersten Wochen ziemlich häufig, aber bei mir war es … später als bei den meisten. Ich habe einfach Angst, dass das nur der Anfang eines langen beschwerlichen Weges war. So hat Wes sich das sicherlich nicht gedacht. Sein ganzes Leben dreht sich darum, Kindern zu helfen, nur dafür hat er seine Firma gegründet! Er liebt Kinder. Ich kann ihm doch nicht den Traum von der eigenen Familie nehmen.«
»Wes liebt dich um deiner selbst willen. Das war eindeutig, als ich euch zum ersten Mal zusammen gesehen habe. Und was auch geschieht, er wird dich weiter lieben.«
Ich lächelte schwach und zog meine Hand zurück, um einen Schluck Wein zu trinken. »Das wäre schön, wenn es so wäre. Aber ich schätze, die Realität ist ein bisschen komplizierter.«
»Julia, du musst Wes eine Chance geben. Du darfst das nicht für ihn entscheiden.«
Ich verkniff mir eine schnelle Antwort und dachte einen Moment lang über ihre Bemerkung nach. Vielleicht war da was dran. Es fühlte sich alles schon gar nicht mehr so schlimm an, nachdem ich ihr von der Fehlgeburt erzählt hatte. Vielleicht hatte sie Recht. Vielleicht würde Wes mich trotzdem lieben, ganz egal, was geschah.
»Und übrigens«, sagte Annie langsam, »ich finde, es wird Zeit, dass du Wes alles erzählst.«
Ich sah sie an. »Du meinst, auch das mit Jake?«
Sie zuckte die Schultern. »Ich bin keine Paartherapeutin. Ich war noch nie verlobt. Und mein letzter Freund« – sie lächelte bitter –, »hat mir nicht nur verschwiegen, dass er verheiratet ist, verdammt, er hat auch noch vor meinen Augen mit meiner Freundin rumgeknutscht.«
Als sie »Freundin« sagte, verbiss ich mir ein freudiges Lächeln; das wäre in diesem Zusammenhang wohl unangebracht gewesen. Wenn Annie mir verzeiht , dachte ich, dann wird Wes es vielleicht auch tun.
»Bestimmt hast du Recht.« Ich seufzte. »Wes sollte alles erfahren.« Ich dachte an die kommenden Wochen – Weihnachten und dann die rauschende Verlobungsparty, die meine Mutter für den Silvesterabend geplant hatte. »Vielleicht nach den Feiertagen?«
Annie lächelte. »Du wirst es schon merken, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist.«
Ich lächelte zurück. Eine Woge der Erleichterung durchströmte mich. So leicht und zuversichtlich hatte ich mich schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gefühlt. Dass Annie mich moralisch unterstützte, ließ den Schmerz über den Verlust meines Babys zwar nicht verschwinden – damit würde ich für immer leben müssen –, doch es gab mir Kraft. Es war richtig gewesen, ihr alles zu erzählen. Keine Geheimnisse mehr , dachte ich. Irgendeinen guten Vorsatz für das neue Jahr musste man ja haben.
23 – Annie
Wenn Lolly St. Clair zu etwas berufen war, dann ganz sicher dazu, Partys zu geben. Es war faszinierend, ihr dabei zuzusehen, wie sie ihre Angestellten und Aushilfskräfte vor Julias großer Verlobungsfeier an Silvester dirigierte; ich musste dabei unwillkürlich an einen alten Seebären denken, der die Besatzung eines riesigen Segelschiffs an einem besonders tückischen Küstenabschnitt vorbei in den sicheren Hafen führt. Ich war schon am Nachmittag in die Villa der St. Clairs gekommen, um die Cupcakes zu verzieren, die ich für die Party vorbereitet hatte. Währenddessen stöckelte Lolly von Zimmer zu Zimmer, gab den verschiedenen Teams des schwarz gekleideten Personals ihre Anweisungen, drehte riesige Blumengebinde einen Zentimeter weiter nach rechts oder links, ließ die Leinenservietten mit dem eingestickten Monogramm ein drittes
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