Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
neurotische Art, einen Cupcake zu essen, ging mir dagegen gehörig auf die Nerven. Im Gegensatz dazu war meine eigene Methode ziemlich simpel – einfach drauflosmampfen, bis nichts mehr übrig ist, fertig. Ich musste mich immer sehr zusammenreißen, nicht zu viel zu naschen, wenn ich den ganzen Tag lang neue Rezepte ausprobierte oder Cupcake-Toppings mixte. Wenn ich schon einmal einen Cupcake zu meinem Privatvergnügen aß, dann wollte ich auch richtig reinhauen.
»Annie!«, sagte Tad, als er den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. »Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? Dieser Cupcake ist wirklich allererste Sahne. Ich habe keine Ahnung, was für eine Sorte das war, aber der gehört definitiv auf eure Karte.«
Ich lachte. »Du hast die anderen ja noch gar nicht probiert!«
»Die können unmöglich noch besser sein. Lucia, meine Liebe, du bist eindeutig die beste Bäckerin von ganz San Francisco.«
Ich öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus.
»Annie, wolltest du sagen«, verbesserte Julia ihn leise.
»Hm?«, fragte er.
» Annie ist die beste Bäckerin von ganz San Francisco. Du hast Lucia gesagt.«
Tad fuhr mit der Hand, die das Cupcake-Förmchen hielt, vor sich durch die Luft und bröselte dabei die Arbeitsplatte voll. »Annie! Natürlich meinte ich Annie. Tut mir leid.« Einen Augenblick lang sah er sich verwirrt in der Küche um. »Aber Lucias Backkünste sind … waren … einfach nicht zu toppen. Erinnert ihr euch an den Kuchen, den sie zu meinem fünfzigsten Geburtstag gebacken hatte? Den werde ich nie vergessen.« So wehmütig hatte ich ihn noch nie erlebt. Julia und ich wechselten einen verblüfften Blick.
»Wie auch immer, Mädels«, sagte Tad und zerknüllte das Cupcake-Papier zu einer Kugel, »ihr müsst meinem Gedächtnis nochmal auf die Sprünge helfen. Wann ist eure Eröffnungsfeier im Treat? Die will ich auf keinen Fall verpassen, und ihr wisst ja, wie oft mich Lolly für irgendwelche gesellschaftlichen Anlässe verplant.«
»Dad!«, rief Julia. »Wir eröffnen am fünften Oktober. Das habe ich dir schon x-mal gesagt. Ich habe dir die Einladung per E-Mail geschickt. Und die gedruckte Einladung liegt auf deinem Schreibtisch. Ich habe es sogar in deinen Online-Kalender eingetragen.«
Tad machte ein empörtes Gesicht und fuhr sich mit der Hand durch sein schütteres weißes Haar. »Seit wann kannst du auf meinen Online-Kalender zugreifen, junge Dame?«
Julia sah mich an und verdrehte die Augen. »Schon immer, Dad. Seit Anbeginn der Welt.«
»Und am siebten Tag sprach Gott: ›Lasset unsere Online-Kalender frei zugänglich sein!‹«, sagte ich fröhlich.
»Ach so«, sagte Tad grinsend. »Gut. Dann sollte ich den Termin wohl besser nicht verpassen, was?«
»Untersteh dich«, sagte Julia.
Tad wandte sich zu mir um. »Sie kommandiert ganz schön gerne herum, nicht wahr?«
»Und wie«, sagte ich. »Sie sollte eigentlich irgendwo im Urwald Armeen anführen und verarmte Völker dazu bringen, unerschlossene Rohstoffquellen kampflos aufzugeben.«
Tad lachte. »Lass dich von ihr nicht verrückt machen«, riet er mir. »Leider hat sie meistens Recht. Darin ähnelt sie ihrer Mutter mehr, als sie oder ich zugeben würden.«
Julia musterte ihren Vater schweigend.
»Es hat mich gefreut, dich wiederzusehen, Annie. Wir sind alle sehr froh, dass du in den Schoß der Familie zurückgekehrt bist. Ich bin zum Lunch verabredet, aber wir sehen uns dann am sechsten Oktober.«
»Am fünften!«, rief Julia.
»War nur Spaß«, sagte Tad und zog seine Hose ein Stückchen höher. »Meine Güte!«
Nachdem er weg war, sagte Julia eine Weile lang gar nichts, während ich die restlichen Zutaten bereitstellte. Ich hatte eine kleine Kiste mit Twentieth-Century-Birnen von der Gertzwell Farm mitgebracht, die wie Weihnachtskugeln glänzten, als ich sie in einem Sieb in dem großen Keramikspülbecken wusch.
»Kam er dir irgendwie komisch vor?«, fragte Julia schließlich.
Ich drehte den Wasserhahn zu. »Inwiefern komisch?«
»Ich weiß nicht. Anders.«
»Ich habe ihn seit über zehn Jahren nicht gesehen, Julia. Da fragst du wohl kaum die Richtige.« Eigentlich wollte ich es dabei belassen und mich an die Arbeit machen, doch dann fiel mir auf, dass Julia irgendwie blass aussah und dunkle Ringe unter den Augen hatte. »Machst du dir Sorgen um ihn?«, fragte ich.
»Vielleicht. Immerhin ist er mein Vater, verstehst du?«
»Klar«, sagte ich, obwohl ich natürlich die Letzte war, die gute Ratschläge zum
Weitere Kostenlose Bücher