Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Gesicht. »Hm, Mist. Ich bin eigentlich auf dem Sprung nach Palm Springs, um mich mit einigen Investoren zu treffen. Aber morgen bin ich wieder zurück. Sehen wir uns dann zum Dinner?«
»Okay«, sagte ich und spürte den Stein auf meiner Brust noch schwerer werden. Ich umarmte Wes und schnupperte an seinem Hals. Er duftete immer so gut nach Kaffee und Leder und etwas Süßem, was ich nie genau definieren konnte. Was war es nur? Butter von seinem Frühstückstoast? Der Geruch einer Praline, die bei seiner letzten Hotelübernachtung auf dem Kopfkissen gelegen hatte? Vielleicht ein Hauch von dem Honig, den er sich gern über seine Äpfel träufelte? Ich lächelte und gestattete es mir für einen Moment, an die Möglichkeit eines gemeinsamen Lebens voller süßer Dinge zu glauben.
In der Brautmoden-Boutique führte die Verkäuferin Annie und mich in einen kleinen Warteraum mit einem riesigen, dreiflügeligen Spiegel. Meine Mutter wartete, auf der Kante einer mit weißem Damast bezogenen Polsterbank sitzend, auf uns und stand sofort auf, als sie uns sah.
»Ah, sehr gut, du beehrst uns tatsächlich mit deiner Anwesenheit«, sagte sie und küsste mich auf die Wan gen, nachdem sie ihren taubenblauen Tweedanzug glatt gestrichen hatte. Dann nickte sie der Verkäuferin zu. »Sie können jetzt die Kleider bringen, über die wir gesprochen haben.« Erst als sie sich wieder zu mir umdrehte, schien sie Annie zu bemerken. »Hallo, Annie! Was für eine schöne Überraschung. Du wirst uns sicher eine große Hilfe bei der Auswahl des Kleides sein.«
Ich verdrehte die Augen, doch Annie tat so, als habe sie die spitze Bemerkung gar nicht gehört. Erleichtert atmete ich auf, als mir klarwurde, dass sie meine Mutter gut genug kannte, um sich von ihrer hochnäsigen Art nicht abschrecken zu lassen; sie wusste, dass sich dahinter ein großes Herz verbarg. Vielleicht war ihre Toleranz aber auch dem leichten Schwips zuzuschreiben, den uns die Flasche Champagner im Taxi beschert hatte.
»Du kennst mich ja, Lolly«, sagte Annie, hob den Saum ihres rot gemusterten Shirtkleids an und machte einen kleinen Knicks. »Was Mode angeht, habe ich schon immer klare Statements bevorzugt.«
»Gut. Auffällige Akzente sind mir bei dieser Hochzeit allemal lieber als gepflegte Langeweile«, sagte meine Mutter und schlang ihre Arme um Annie. »Ich freue mich sehr, dass du mitgekommen bist.«
Als die Verkäuferin mit mehreren Kleidern zurückkehrte, folgte ich ihr in das Ankleidezimmer, während Annie und meine Mutter draußen warteten. Ich schaute mir die Kleider an, die meine Mutter für mich ausgesucht hatte, und fand sie ausnahmslos wunderschön. Genau dieselbe Auswahl hätte ich wohl auch getroffen. Klassisch, schulterfrei, zeitlos elegant. Meine Mutter kannte eben meinen Geschmack. Ich zog mich aus und schlüpfte in das hübscheste Kleid. Der Rock knisterte verheißungsvoll, als die Verkäuferin den seitlichen Reißverschluss zumachte. Mir wurde kurz schwindlig – es war einfach zu viel Champagner auf nüchternen Magen gewesen.
»Oh«, hauchte die Verkäuferin. »Wie könnten wir Vera Wang noch toppen? Sie sehen einfach traumhaft aus. Eine Braut wie aus dem Bilderbuch.«
Auf einmal schnürte sich mir die Kehle zu. Meine Stimme klang brüchig, als ich die Frau bat, mich kurz allein zu lassen. Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, drehte ich mich zum Spiegel um. Vor mir stand eine Braut – hochgewachsen und schön und mit tränenfeuchten Augen.
In diesem Kleid war kein Entkommen mehr möglich. Sosehr ich auch versucht hatte, den Blick vor der Realität oder vielmehr den Ungewissheiten der Zukunft zu verschließen: Bald würde diese Zukunft mich eingeholt haben. Ich versuchte, mir vorzustellen, wie ich durch das Spalier der Hochzeitsgäste auf Wes zuschritt, aber vor meinem inneren Auge blieb alles schwarz. Nicht einmal Wes’ Gesicht konnte ich heraufbeschwören. Warum war das nur so schwer? Ich hatte ihn doch vorhin erst gesehen! Hätte ich mir nur seinen Blick, seinen klaren, liebevollen, beherzten Blick in Erinnerung rufen können, wäre es mir gleich bessergegangen. Oder? Ich schleppte dieses furchtbare Geheimnis nun schon so lange mit mir herum, dass es sich mehr und mehr wie eine Lüge anfühlte – eine Lüge, die zwar nur auf Unterlassung beruhte, aber dennoch eine Lüge war. Wie sollte Wes mir je wieder vertrauen können? Er hatte es nicht verdient, so von mir behandelt zu werden.
Ich war erst achtundzwanzig, aber fühlte
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