Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
mir eigentlich an, über andere die Nase zu rümpfen? Jake und ich trafen uns alle paar Wochen in irgendeiner Absteige, was jedes Mal einen gewaltigen Kater zur Folge hatte, doch trotz meines schlechten Gewissens genoss ich unser kumpelhaftes, unverbindliches Geplänkel. Ich habe dieses Jahr so viel durchgemacht , sagte ich mir. Da wird man doch auch mal ein bisschen Spaß haben dürfen. Es schadet ja niemandem.
»Übrigens, ich habe mich noch gar nicht dafür entschuldigt, dass ich Annie das mit Kiley erzählt habe«, sagte ich, als wir schon ein paar Drinks intus hatten. »Dabei wollte ich das schon längst. Es tut mir leid, wie das Ganze gelaufen ist. Ich wollte sie einfach vor einer Enttäuschung bewahren.«
Jake zuckte grinsend die Schultern. Seine Grübchen waren wirklich unfair. Wie sollte ihm ein argloses Mädchen da widerstehen können?
»Schon okay«, sagte er. »Wir sind drüber weg.«
Ich stellte mein Glas auf dem klebrigen Tisch ab und starrte ihn an. »Wie bitte? Sie hat nicht Schluss gemacht?« Die starke, hitzköpfige Annie hatte ihn nicht zum Teufel geschickt, als sie erfahren hatte, dass er sie belog? Aus Angst vor einem weiteren Streit hatte ich Annie nie gefragt, wie es nach unserem Gespräch im Oktober zwischen ihr und Jake weitergegangen war, aber ich war immer überzeugt gewesen, dass sie sich getrennt hatten. Sie hatte ihn seither mit keinem Wort erwähnt.
»Nö«, sagte Jake. »Sie hat mir zum Glück schnell verziehen.«
Er tat die Sache so locker ab, dass ich ihm am liebsten eine Ohrfeige verpasst hätte. Wütend rückte ich ein Stück von ihm ab, doch die Sitzecke war einfach zu klein. »Was machst du dann hier mit mir, wenn du immer noch mit Annie zusammen bist?«, fragte ich. »Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich nicht angerufen …«
»Julia, ich würde die Frage eher andersherum stellen: Was machst du hier mit mir?«, unterbrach er mich. Es klang nicht so, als wolle er sich rechtfertigen; das Ganze schien ihn zu amüsieren. »Zwischen Annie und mir war nie von einer monogamen Beziehung die Rede, während du verlobt bist und schon die Hochzeit planst, wenn ich mich nicht irre. Ich bin nur ein Single, der mit seiner Ex abhängt, aber was bist du?«
Ich starrte auf mein Glas. Er hatte Recht. Mich traf genauso viel Schuld. Oder sogar noch mehr. Auf einmal hatte ich das Gefühl, es keine Sekunde länger mehr in dieser Bar auszuhalten. Eigentlich hätte ich in meinem Elternhaus gemütlich im Bett liegen und meinen Verlobten anrufen sollen, um ihn nach seinem Meeting in Palm Springs zu fragen, statt mit meinem Exfreund in einer schäbigen Kneipe zu sitzen. Was versuchte ich mir mit diesen Verabredungen zu beweisen? Was versprach ich mir davon? Plötzlich kam mir unser Treffen nicht mehr wie ein unkomplizierter Abstecher in eine sorglosere Vergangenheit vor – es machte mir jetzt noch mehr Angst, als ich ohnehin schon hatte. Die rosarote Brille war zerbrochen.
Jake legte den Arm um mich und schüttelte mich sanft wie ein guter Freund, der mich nur trösten wollte. Doch als ich aufsah und seinem Blick begegnete, lag nichts Kumpelhaftes mehr darin. Ehe ich begriff, was geschah, küsste er mich. Entgeistert schubste ich ihn weg. Und im gleichen Moment sah ich Annie mit leichenblassem Gesicht in der offenen Eingangstür stehen.
21 – Annie
Jeder kennt doch bestimmt das Gefühl, etwas sehr Unmittelbares, ja Schockierendes zu erleben und gleichzeitig irgendwie neben sich zu stehen und das Ganze nur aus der Ferne zu beobachten. Genau so ging es mir, als ich Jake und Julia sah. Ich betrat die Bar, hielt nach Becca Ausschau und erblickte stattdessen Jake, der gerade Julia küsste. Körperlich war der Schmerz so echt und so intensiv, als hätte ich ein heißes Backblech mit bloßen Händen aus dem Ofen geholt – oder besser gesagt, es mir auf die bloße Brust gelegt. Zugleich hatte ich das Gefühl, aus meinem Körper gefahren zu sein und über der ganzen Szene zu schweben, so sachlich interessiert wie ein Primatenforscher, der das Balzritual eines Affenpärchens beobachtet. Ich weiß noch, dass mir die Tragweite dieses Moments ganz deutlich bewusst war. Dieser Anblick wird sich dir für immer ins Gedächtnis einprägen , dachte ich.
Ich war am Eingang des 500 Club stehen geblieben und konnte mich nicht vom Fleck rühren. Ein Teil von mir wollte wie eine Furie durch den Raum rennen und die Drinks von der Bar und den Tischen klauben, um sie den beiden kreischend an den Kopf zu werfen.
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