Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Verrat hätte mich wirklich nicht überraschen dürfen. Wie heißt es doch so schön: Wer mit den Hunden schläft, wacht mit Flöhen auf.
Nun hatte mir meine Blauäugigkeit genau das eingebrockt, was ich von Anfang an befürchtet hatte: Ich musste mit einem Menschen zusammenarbeiten, den ich verachtete. Es ist ja nur bis Mai – dieser Gedanke wurde ein Mantra, an das ich mich klammerte, um nicht verrückt zu werden. Im Mai würde Julia heiraten und für immer aus dem Treat und meinem Leben verschwinden, so stand es schwarz auf weiß in unserem Vertrag.
Währenddessen standen die Kunden weiter Tag für Tag Schlange, und so stürzte ich mich notgedrungen in die Arbeit und stellte einfach das Radio lauter, wenn Julias helle, heuchlerisch freundliche Stimme aus dem Café in die Küche drang. In solchen Momenten vermisste ich meine Mutter besonders schmerzlich, wie verbrannte Haut, die noch Jahre später bei jeder Berührung zu pochen beginnt. Ich sehnte mich danach, mich noch einmal an sie schmiegen zu können oder ihren warmen, mütterlich besorgten Blick auf mir zu spüren. Hätte ich mich doch wenigstens mit den Ingwerkeksen trösten können, die sie immer machte, wenn ich deprimiert war! Doch selbst das war unmöglich. Ich hatte unzählige Male versucht, diese Kekse nachzubacken, aber sie schmeckten nie wie die meiner Mutter. Die entscheidende Zutat dieses an sich einfachen Rezepts hatte ich nie herausbekommen, und das machte mich fast wahnsinnig.
Ich fing an, immer zeitiger aufzustehen, um die frühen Morgenstunden im Treat genießen zu können. Nur ich und meine alten Freunde, die Küchengeräte, so arbeitete ich am liebsten. An einem Morgen Mitte Dezember, ich war noch ganz alleine im Café und genoss die Stille, stand ich gerade an der Küchentheke und notierte mir ein paar Ideen zu neuen Cupcake-Rezepten, die mir am Vorabend im Halbschlaf gekommen waren, als es laut an der Eingangstür klopfte. Ich sah auf die Wanduhr. Fünf. Wer um alles in der Welt kam um fünf Uhr morgens hier vorbei? Vor meinem inneren Auge blitzte das Bild des Mannes im Kapuzensweatshirt auf. Mein Herz begann zu rasen.
Nachdem ich an die Küchentür getreten war und einen vorsichtigen Blick Richtung Fenster geworfen hatte, atmete ich erleichtert auf. Es war nur Ogden Gertzwell, dieser nervige Angeber, mit einer riesigen Obstkiste.
Ich machte ihm die Tür auf und beschloss, mich diesmal nicht sofort über ihn aufzuregen, auch wenn er die lästige Angewohnheit hatte, mitten in meine geliebte Morgenruhe zu platzen und mich mit endlosen Beschreibungen seiner neuesten Ernte zu langweilen.
»Hi, Ogden«, sagte ich und bemühte mich um einen höflichen, munteren Ton. »Fährst du deine Tour heute andersherum? Ich hätte erst in ein paar Stunden mit dir gerechnet.«
»Ich war gerade unterwegs zu einem anderen Kunden, als ich hier vorbeigekommen bin und das Licht in der Küche gesehen habe. Da dachte ich, ich lade die Lieferung gleich mal ab, wenn ich schon in der Gegend bin. Störe ich?«
»Nein«, sagte ich. »Soll ich was helfen?«
»Nicht nötig. Halte mir einfach die Tür auf.«
Ich blieb an der Tür stehen, während er ein paarmal zwischen der Küche und seinem Lieferwagen hin- und herstampfte. Als er die letzte Kiste hereingetragen hatte, schob ich den Riegel wieder vor und folgte ihm in die Küche, wo er schon an der Spüle stand und eine große Persimone wusch, die so grellorange leuchtete wie die kitschigen Sonnenuntergänge auf den halbwegs reumütigen Postkarten, die Jake mir aus Costa Rica schickte. Jake hatte es mir nicht leicht gemacht, ihn zu vergessen; im Laden waren fast täglich üppige Blumensträuße für mich eingetroffen. Ich ahnte, dass er sie nur deswegen ins Café schickte und nicht in meine Wohnung, damit Julia nicht das Gefühl hatte, er wolle irgendetwas vor ihr verbergen. Mir kam das Ganze ziemlich heuchlerisch vor. Ich sah darin nur einen weiteren Beweis für seine berechnende Art und reagierte nicht darauf.
Ogden holte ein Taschenmesser aus seiner Jeans und schnitt die Persimone fachmännisch auf. »An rohe Persimonen muss sich der Gaumen erst gewöhnen«, sagte er und gab mir ein Stück, »aber ich kann mir vorstellen, dass dir diese hier schmeckt.«
Trotz meiner guten Vorsätze hätte ich fast die Augen verdreht. Ich bin Bäckerin, Ogden , wollte ich sagen. Natürlich weiß ich, wie Persimonen schmecken. Stattdessen nahm ich einen kleinen Bissen. Die Frucht hatte die gleiche feste Konsistenz wie Tomaten
Weitere Kostenlose Bücher