Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
der alten Sorten und einen intensiven herb-süßen Geschmack, als habe sich ein winziger Tropfen Honig darunter gemischt. Ich nickte anerkennend.
»Du hast zwar keine bestellt, aber ich habe dir trotzdem mal ein paar mitgebracht. Vielleicht inspirieren sie dich ja zu einem Weihnachts-Cupcake«, sagte Ogden. Er hielt scheu den Blick gesenkt, während er sprach, was ihm ganz und gar nicht ähnlich sah. »Bitte entschuldige, wenn das anmaßend klingt. Ich habe keine Ahnung, wie neue Rezepte entstehen.«
Ich biss noch einmal in die Frucht und dachte nach. Ogden stand reglos da und beobachtete mich beim Essen; ich war ihm dankbar, dass er sich mal für einen Moment zurückhielt und Stille einkehren ließ. Ich ahnte, wie schwer ihm das fiel.
»Die Idee ist nicht schlecht«, sagte ich schließlich. »Ein Persimonen-Cupcake wäre eine hervorragende neue Wintersorte. Dazu ein bisschen Schokolade, Zimt und Kardamom und obendrauf eine süße Vanillecreme – das perfekte Weihnachts-Törtchen.«
»Meinst du nicht, dass Persimone etwas zu gewagt für eure Kundschaft ist?«
»Ach Quatsch«, sagte ich und merkte, wie nett es war, mit jemandem zu reden, der das Thema Essen genauso ernst nahm wie ich. Schade nur, dass er sich immer so geschwollen ausdrückte. »Aber die Schokolade müsste wahrscheinlich als Erstes kommen. ›Schokolade-Persimonen-Traum‹. Könntest du dich damit abfinden? Wenn ich dir verspreche, Bioschokolade zu verwenden?«
»Mit ein bisschen Bioschokolade kommt mein Ego klar, glaube ich«, sagte Ogden. Seine langen Wimpern ließen sein raues Gesicht etwas weicher wirken. »Ich habe mich schon vor Jahren in das bittere Schicksal gefügt, nicht mehr über meine Ernte bestimmen zu können, sobald ich sie irgendwo abliefere.«
»So muss es Eltern gehen, die ihre Kinder zum Studieren wegschicken«, sagte ich. »Wenn man sie liebt, lässt man sie ziehen.«
»Genau.« Er hatte ein schönes Lächeln, das eine Reihe makelloser weißer Zähne zeigte. Offenbar hatte die Farm genug abgeworfen, um dem Sohnemann eine Zahnspange zu bezahlen. Zu meinem eigenen Erstaunen erwiderte ich sein Lächeln, und als wieder ein kurzes Schweigen einkehrte, schien ihm das gar nicht unangenehm zu sein. Da huschte sein Blick plötzlich zur Tür hinüber. Ich drehte mich halb um und sah Julia vor mir. Sie trug einen cremefarbenen Angorapulli, hatte die Haare perfekt gefönt und wirkte auch sonst so frisch und rosig, als sei sie schon seit Stunden putzmunter.
»Ich habe dich gar nicht reinkommen hören«, sagte ich eisig.
Sie wurde rot. »Tut mir leid. Ich wollte mich an die Buchhaltung machen, bevor es zu hektisch wird. Guten Morgen, Ogden.«
»Hallo, Julia«, sagte Ogden höflich. Er blickte verstohlen zwischen uns beiden hin und her. Die Spannung, die auf einmal in der Luft lag, schien ihm nicht zu entgehen. »Tja, dann mach ich mich mal wieder auf den Weg, die anderen Kunden warten. Annie, du meldest dich dann, ja?«
Verwirrt dachte ich nach. Hatte ich gesagt, dass ich ihn anrufen würde? Julias plötzliches Auftauchen hatte mich ganz aus der Fassung gebracht.
»Falls du die Persimonen bestellen willst«, half Ogden mir schnell aus der Verlegenheit.
»Ach so, ja. Ich melde mich.«
»Sehr schön.« Ogden nickte uns zum Abschied zu und ging aus der Küche. Seine Stiefel hinterließen schmutzige Abdrücke auf dem Linoleumboden, was Julia mit einem Naserümpfen quittierte. Ich grinste in mich hinein, so sehr freute ich mich über diese kleine, wenn auch unbeabsichtigte Provokation. Julia ertappte mich dabei und fasste mein Lächeln offenbar als Gesprächsangebot auf.
»Er steht total auf dich«, sagte sie.
Ich sah sie kalt an und schüttelte den Kopf. »Lass das, Julia.«
Sie sah enttäuscht aus. »Bitte, Annie, ich möchte mich wenigstens entschuldigen.«
»Wieso sollte mich interessieren, was du möchtest?« Eigentlich hatte ich einen kühlen Kopf bewahren wollen, doch ich brauchte bloß daran zu denken, wie sich die beiden in dieser Sitzecke geküsst hatten, um in Rage zu geraten. Sobald ich auch nur ein bisschen unachtsam war, tauchte das Bild von Jake und Julia vor meinem inneren Auge auf, und es war mit meiner Selbstbeherrschung vorbei. »Ich verstehe nur nicht, warum es mich überhaupt schockiert hat. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass du so etwas getan hast.«
»Was meinst du damit?«, fragte sie leise.
Ich sah Julia an. Sie bettelte förmlich darum, dass ich sie anschrie, um endlich loszuwerden, was mich
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