Das beste Rezept meines Lebens: Roman (German Edition)
Ecke. Auf dem Titelbild der neuesten Ausgabe des San Francisco Magazine war ein riesiger Cupcake abgebildet. Ich trat ein und las die Schlagzeile. »Der Cupcake-Coup: Zwei Powerfrauen mischen die Gourmet-Szene auf«.
Ob Julia wohl davon weiß? , fragte ich mich. Die Zeitschrift hatte bereits einen kurzen, aber wohlwollenden Bericht über die Eröffnung des Treat gebracht, und ich war davon ausgegangen, dass keine weiteren Artikel folgen würden. Doch das hier schien eine groß aufgemachte Story zu sein. Ich kaufte ein Exemplar und einen billigen Pinot Noir aus dem Weinregal neben der Kasse. Nach diesem Tag war ich schon stolz auf mich, dass ich nicht gleich zu Wodka griff.
Zwanzig Minuten später hatte ich es mir mit einem Glas Wein auf dem Sofa gemütlich gemacht und schlug die Zeitschrift auf. Ein Hochglanzfoto von Julia bei der Eröffnungsparty füllte die gesamte erste Seite des Artikels aus: Sie hatte lachend den Kopf in den Nacken geworfen und hielt den Cupcake in ihrer Hand so, dass sie gleichzeitig ihren riesigen Verlobungsring präsentierte. Dabei stützte sie neckisch einen ihrer schwarzen High Heels hinter sich auf der Spitze auf. Auf der gegenüberliegenden Seite war im laufenden Text ein kleines Bild von mir, das der Fotograf der Zeitschrift eine Woche nach der Party aufgenommen hatte. Ich lehnte in meiner dunkelroten Schürze an der Ladentheke und sah müde und pummelig aus, wie die verschrobene Freundin der strahlenden Hauptdarstellerin der Story.
Als die Tochter einer der bekanntesten Familien der Stadt im Sommer dieses Jahres beschloss, ein Cupcake-Café zu eröffnen, erfüllte sie sich damit keinen Lebenstraum. Im Gegenteil – Julia St. Clair gibt offen zu, dass die Idee aus einer Laune heraus entstand. In Zeiten, in denen die meisten Kleinunternehmen schon im ersten Geschäftsjahr scheitern, ist die Eröffnung einer Cupcakery eine dieser Launen, von denen wir Normalsterblichen ohne millionenschweres Eigenkapital nur träumen können.
»Ich habe nun mal eine Schwäche für Cupcakes«, erklärt St. Clair bei der Eröffnungsparty im Herbst. Selbst im verführerisch schummerigen Licht des Cafés mit dem schönen Namen »Treat« glänzt ihr glattes blondes Haar wie Gold. »Im letzten Monat habe ich so viele Sorten vorgekostet, dass ich nie und nimmer gedacht hätte, noch in dieses Kleid zu passen!«, sagt sie mit Blick auf das schwarze Cocktailkleid von Prada, das ihre schlanke Figur umschmeichelt.
Ich schloss die Augen und ließ mich tiefer in das Sofa sinken, während ich mir die Schläfen rieb. Das war kein Artikel, das war das lobhudelnde Porträt eines gelangweilten, exzentrischen It-Girls, das nicht wusste, was es mit seinem Geld anfangen sollte. Dabei hätte Julia ihre vielen Beziehungen und das mir unbegreifliche öffentliche Interesse an ihr und ihrer Familie dazu nutzen können, das Alleinstellungsmerkmal, das Besondere unseres Cafés zu betonen. Aber nein – sie hatte die Gelegenheit lieber dazu genutzt, ihre schönen Beine zur Schau zu stellen. Am liebsten hätte ich ihr den Hals umgedreht.
Nachdem ich eine ganze Weile vor mich hingebrütet und zwischen großen Schlucken Wein die wüstesten Todesdrohungen formuliert hatte, zog ich mein Handy aus der Tasche und rief Becca an. Ich erzählte ihr von Julias überraschendem Geständnis am Morgen und begann dann, über den Artikel zu schimpfen.
»Ich denke ernsthaft darüber nach, alles hinzuschmeißen«, sagte ich, als ich mich ausgekotzt hatte. »Warum tue ich mir das noch an? Glaub mir, ich liebe das Treat. Der Gedanke, es aufzugeben, macht mich total fertig. Aber ich kann ja irgendwann nochmal einen eigenen Laden eröffnen, oder nicht? Warum soll ich mich jetzt so damit quälen?«
»Annie«, unterbrach mich Becca, als ich eine Atempause machte. »Hast du den ganzen Artikel gelesen?«
»Was? Nein. Schon nach den ersten Zeilen habe ich so lebhaft vor mir gesehen, wie ich Julia mit einem Küchenspachtel aufspieße, dass ich nicht weiterlesen konnte. Aber der Tenor des Ganzen war ja klar.«
»Ich habe ihn vorhin gelesen, als ich von der Arbeit kam«, sagte sie. Ihre Stimme klang irgendwie merkwürdig. »Ich würde dir raten, den Artikel zu Ende zu lesen.«
»Jetzt gleich?«
»Jetzt gleich.«
»Ist das etwa ein Versuch, mich abzuwimmeln, damit du mit Mike deinen Feierabendsex haben kannst?«
Becca lachte. »Na ja, es ist ja nichts verkehrt daran, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen.«
»Du Miststück«, sagte ich seufzend.
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