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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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bei den Experimenten des Kreises um rein theoretische Probleme handele, die ihm aus der Literatur in ihrem schillernden Für und Wider zu genau bekannt seien, um durch praktische Erprobung zu gewinnen, da die außerordentlichen Gefahren solcher Übungen im Grunde ihre Anwendung bereits regelmäßig verböten.
    Wenn man Monsignore Eichhorn überhaupt einen Vorwurf machen wollte, dann allenfalls den, daß er in seiner langen Freundschaft zu Ines Wafelaerts seine Freundin nicht wirklich kennengelernt hatte, denn es gab Tage, an dem es ihm unmöglich war, sich auch nur an ihr Gesicht zu erinnern. Er verbrachte manchmal eine gewisse Zeit, indem er darüber nachdachte, ob sie eigentlich eine intelligente Frau sei; die Erkenntnis aber, wie sehr er ihrer zu seinem täglichen Leben bedurfte, behinderte ihn dann doch, in dieser Frage eine Antwort zu finden. Er beschloß, es bereits als Beweis ihrer Intelligenz anzusehen, daß sie so nachdrücklich zu ihm hielt, obwohl er es ihr, wie er mit einer von ihm selbst durchaus registrierten Selbstgefälligkeit feststellte, doch überhaupt nicht leichtmachte. »Sie muß sich ganz schön anstrengen«, dachte er und erinnerte sich der grantigen Unzugänglichkeit, die er Ines gelegentlich zumutete, nicht ohne Vergnügen. Die rücksichtslose Einsicht in ihre Geistesgaben hätte ihn gewiß weniger enttäuscht, als wenn er jemals hätte erfahren müssen, wie wenig Ines sich in Wahrheit in seiner Gesellschaft anstrengte. Da er nur einen winzigen Ausschnitt aus ihrem Leben sah und sozial zu naiv war, um sich aus diesem Ausschnitt ein gesamtes Bild dieses Lebens bauen zu können, ahnte er nicht, daß Ines nur bereit war, sich Mühe zu geben, wenn es um die Bereicherung |466| ihres Liebeslebens ging, und daß alles andere, was sonst noch zur Erhöhung ihres Lebensgefühls beitragen mochte, zu ihren Füßen niedergelegt werden mußte. Das gerade schätzte sie ja am Monsignore, daß er sich in ihren Augen so für sie abrackerte, während er fürchtete, sie mit schwerer geistiger Arbeit zu überfordern, ein gegenseitiges Mißverständnis, das niemals aufgeklärt werden mußte, weil ihrer beider Alter und Krankheit schließlich darüber hinweggingen.
    Dies Verhältnis wurde nicht einmal dadurch belastet, daß sich nie ganz herausstellte, wer genau den Monsignore durch die Indiskretion bezüglich seiner Beziehungen zu dem bewußten spiritistischen Zirkel belastet und ihm die polizeiliche Untersuchung und den Tadel durch den bischöflichen Stuhl von Limburg beschert hatte. Ines hatte Agnes in Verdacht, und tatsächlich war Agnes anläßlich der Untersuchung genau vernommen worden, aber auch weil das Protokoll ihrer Aussage zurückgehalten wurde, blieben Zweifel bestehen, ob Agnes ihrem Dienstherrn wirklich geschadet hatte, ja, ob sie überhaupt imstande war, ihm zu schaden, denn selbstverständlich hatte sie an den inkriminierten Gesprächen nicht teilgenommen und hätte auch wohl, wenn sie jedes Wort davon gehört hätte, darüber kaum befriedigend berichten können.
    Es war richtig, daß Ines dem Monsignore regelmäßig Fragen über die magische Praxis gestellt hatte, es traf auch zu, daß sie die Antworten auf diese Fragen weitergab, und zwar um ihr Ansehen zu steigern, unter Angabe der Quelle, aus welcher sie so reichlich flossen, denn der Monsignore besaß keineswegs nur den ›Hexenhammer‹, sondern von den Publikationen der Krakauer Alchimisten bis hin zu Eliphas Levi alle magische Literatur von Reputation. Trotzdem versuchte er stets, Ines ein wenig von ihrem Zauberkram abzulenken, indem er die Entwicklung des Willens in den Vordergrund stellte, das war schmerzlich für Ines, denn sie hegte ihrerseits eine berechtigte Furcht vor jeder Abstraktion.
    »Die Ausbildung des Willens«, sagte der Monsignore, »darauf müssen Sie Ihr Augenmerk richten, das ist das transzendentale |467| Alpha und Omega, das andere Zeug ist Technik, magisches Ingenieurswesen, woran sich die Willenszwerge klammern. Wußten Sie schon, daß die Willenskraft, wenn sie genügend ausgebildet ist, geradezu körperlich verdichtet auftreten kann? Ein großer Magier braucht einen Willen wie eine Faust.«
    Wenn er solche Dinge sagte, konnte er Ines einen Schrecken einjagen, nicht, weil sich seine auch verbal auf die Spitze getriebenen Postulate von der Ebene ihrer Existenz wie unerreichbare Gebirge ausnahmen, sondern vor allem, weil er dann so wild aussah, daß Ines sich überlegte, wie gefahrvoll doch der Umgang mit einem Mann

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