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Das Bett

Titel: Das Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Gefühlsbewegungen der Liebe immer verbunden sind, |141| hatte Florence schon hinter sich, als sie nach ihrer Ankunft in Frankfurt auf Stephan in seinem Hotelzimmer wartete. Das rasende Herzklopfen, die Atemnot, die verzehrende Unruhe, die leichte Übelkeit, die all die Vermutungen, die ihr Warten begleiteten, auslösten, waren bereits vergangen, als sich die Klinke der Hotelzimmertür senkte. Statt dessen war ein Schuldbewußtsein entstanden, daß sie in sein Zimmer eingedrungen war, die Angst, er könne feststellen, daß sie es durchsucht hatte, und die Sorge, die die Liebenden kennen, daß sie ihm nämlich aufdringlich und lästig erscheinen könne, und die ihr quälender war als seine Lieblosigkeit.
    Tatsächlich machte sie Stephan nicht den geringsten Vorwurf, als er vor ihr stand und sich entschuldigte, daß er sie leider nicht habe vom Flugplatz abholen können, weil er »zu tun« gehabt habe, sondern log sehr gelassen, sie habe ihn auch gar nicht erwartet, sie habe sich den ganzen Tag »fabelhaft amüsiert« und auch Ines Wafelaerts schon gesehen, die sehr traurig sei, daß er sie noch nicht besucht habe.
    »Dr. Tiroler hat mich übrigens sehr unterstützt, hierherzukommen. Er sagt, er fürchtet, daß du dich vielleicht allzu sehr in die Arbeit stürzt, und freut sich, dich bald wiederzusehen.«
    Sie sprach den letzten Satz aus, als bestünde nicht der mindeste Zweifel, daß Stephans Frankfurter Stage demnächst abgeschlossen sei, und betrachtete Stephan nur kurz aus den Augenwinkeln, während sie sich mit den Beuteln ihres Kamillentees beschäftigte. Mit steifem Rücken beugte sie sich vor und kam mit ihren ausgestreckten Armen von oben auf die Teekanne zu, als ob sie über ein hohes Hindernis hinweg greifen müsse. Stephan begleitete den Vorgang des Abtropfens der Teebeutel mit keinem Wort, betrachtete ihn aber gesammelt, als sei er von ungewöhnlicher Wichtigkeit, wobei diese Wichtigkeit im wesentlichen darin bestand, daß beide nicht weitersprechen zu müssen glaubten, bis die Prozedur abgeschlossen war.
    »Wenn du nicht einmal zu Ines gekommen bist, dann hast du sicher auch nicht bei der alten Agnes hereingesehen, und das ist mir fast noch unangenehmer«, fuhr Florence fort und ließ ihre |142| Worte dadurch beiläufig erscheinen, daß sie ihre ganze Aufmerksamkeit darauf verwandte, möglichst kleine Schlucke aus der heißen Teetasse zu nehmen. »Ines ist sicher nicht interessant für dich, aber nach altem Hauspersonal sollte man immer noch einmal schauen. Doch jetzt bin ich ja da, und im Grunde ist es ja auch Weiberkram.« Dabei versuchte Florence, Stephans Blick zu erhaschen, denn sie hatte die berechtigte Vermutung, ein Reizwort fallengelassen zu haben, auf das er sich nun endlich rühren mußte.
    Auch Stephan wollte unauffällig feststellen, mit welchem Ausdruck sie diese ihn höchst beunruhigenden Worte gesprochen hatte, und so kam es, daß Mutter und Sohn, die die Köpfe fast parallel zueinander gehalten hatten, sie vorsichtig ein wenig drehten und sich zu ihrem peinlichen Schrecken plötzlich in die Augen sahen. Die Situation war von diesem Augenblick an derart verfahren, daß Florence für heute die Waffen streckte. Sie dachte an Dr. Tirolers Rat, den Patienten nicht in eine Sackgasse zu treiben, da er aus der »Defensivposition« nur schwer wieder herauskomme. Florence befolgte diesen Rat, weil es der erste Abend mit Stephan war, obwohl er ihrer Grundüberzeugung, daß es noch niemandem geschadet habe, sich ihr gegenüber in einer Defensivposition zu befinden, widersprach. Aber Tiroler hatte auch noch andere Töne in seinem letzten Gespräch mit ihr anklingen lassen, als er sie bat, ihre Kräfte nicht nur um Stephans willen zu schonen. »Lassen Sie mir auch noch etwas von Ihrer Kraft übrig«, hatte Tiroler am Schluß gesagt, und er hatte damit Florence’ Gedanken während des Fluges hin und wieder auch auf sich gelenkt.
    Meine Eltern waren voller Erwartung, als sie Florence am Telephon hörten und diese Mischung aus nuancierten Deutschkenntnissen und einem ausgeprägten amerikanischen Akzent vernahmen. Meine Mutter hatte sich natürlich schon längst ein Bild von der Mutter unseres Gastes aus den Anhaltspunkten, die der häufige Umgang mit Stephan lieferte, zurechtgelegt. Für sie war Stephans feines Frankfurterisch von viel größerer Bedeutung als für meine Tante, die das gar nicht richtig wahrnahm, |143| weil Stephans Flair sie verwirrte, oder für meinen Vater, der die Kornsche

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