Das Bienenmaedchen
sie sehr besorgt. Sie hofften, dass es ihr gut ginge, und freuten sich darauf, dass Guy sie eines Tages, wenn er sicher und wohlbehalten wieder zu Hause war, einmal mitbringen würde.
Beatrice verstand die Unsicherheit seiner Mutter, und sie rang lange und schwer mit sich selbst, bevor sie den Brief schrieb, von dem sie wusste, dass sie ihn schreiben musste und dass es Guys Wunsch wäre. Am Ende überwand sie ihre Skrupel – sie wusste, dass er verärgert sein würde, wenn sie seine Eltern nicht informierte.
Ich erwarte ein Kind von ihm. Es kommt im November. Ich hatte das Gefühl, dass Sie das wissen sollten.
Da – sie hatte die Worte geschrieben. Sie verschloss den Umschlag und klebte eine Briefmarke darauf, hatte aber nicht den Mut, ihn abzuschicken. Sie war noch nicht völlig verzweifelt. Sie würde Guy noch ein weiteres Mal schreiben – falls ihre anderen Briefe abhandengekommen sein sollten.
Ein paar Tage später schlenderte sie im Sonnenschein vor einem Büro in Whitehall herum und wartete darauf, dass Michael Wincanton oder irgendein anderer gefahren werden musste, als einer seiner Gehilfen auftauchte. Er war in Gesellschaft eines Mannes, den sie schon einmal gesehen hatte: Es war der Colonel mittleren Alters mit der gedrungenen Statur, mit dem Michael über Peter gesprochen hatte. Als der Colonel sie begrüßte, hatte seine Stimme diesen angenehmen schottischen Tonfall, und sie mochte die direkte Art, wie er sie ansah.
»Ich möchte, dass Sie mich bis zwölf zur Baker Street bringen«, sagte er, als sie ihm die Tür öffnete.
Als sie von der Marylebone Road in die Baker Street abbogen, lotste er sie zu einem freistehenden Gebäude, das keine offenkundige Bedeutung hatte. Dort stieg er aus und nickte ihr zum Dank zu.
Sie wollte gerade wieder in das Auto steigen, als eine Männerstimme sagte: »Beatrice!« Sie drehte sich überrascht um und erblickte einen dunkelhaarigen, schlanken Mann in Khaki, der sie anlächelte. Peter Wincanton!
Sie hatte ihn seit anderthalb Jahren nicht gesehen, denn er hatte nicht zu Angies Hochzeit kommen können. Betroffen stellte sie fest, wie sehr er sich verändert hatte. Er musste jetzt einundzwanzig sein, sah aber viel älter aus. Teilweise lag das an der Uniform, aber da war auch noch etwas anderes. Seine Haltung wirkte selbstbewusster, und wenngleich sein Gesicht immer noch den gewohnten Ausdruck von Wachsamkeit zeigte, sah er ihr, als er ihr die Hand gab, in die Augen, statt an ihr vorbeizuschauen.
»Was machst du hier in der Gegend?«, fragte sie.
»Ach, eine Besprechung«, antwortete er unbestimmt, und sie wusste, dass sie nicht weiter nachfragen sollte. »Was ist mit dir? Fährst du immer noch meinen Vater herum? Zurzeit sehe ich den alten Herrn kaum noch. Und eigentlich auch keinen anderen aus meiner Familie.« Seine Miene verhärtete sich. »Weißt du, wie es meiner Schwester geht? Ich habe es sehr bedauert, dass ich nicht zu ihrer Hochzeit kommen konnte, aber es ging einfach nicht.«
»Ich nehme an, Angie genießt das Leben, obwohl sie Gerald natürlich nicht oft sieht.«
»Trotzdem hat sie mehr Glück als andere. Sag mal, fährst du in die Stadt zurück und kannst mich mitnehmen? Ich hab ein, zwei Stunden zur freien Verfügung, und es gibt wieder ein Konzert in der National Gallery. Warst du da schon mal?«
»Nein, aber ich habe gehört, die Konzerte dort wären wunderschön. Kann man da so einfach hingehen?«
Zufällig hatte sie auch frei, und so brachte sie wie vereinbart den Wagen zu einer anderen Fahrerin und begleitete dann Peter zu dem Konzert. Sie wusste wenig über Musik, aber Beethovens Klavierakkorde vibrierten in großen Wellen erregend durch ihren Körper. Peter saß andächtig und still neben ihr. Sie folgte seinem Beispiel, schloss die Augen und gestattete ihrem Geist, sich emporzuschwingen.
Danach führte er sie in ein Corner-House-Café von Lyons, wo er für sie beide Tee und klumpiges Teegebäck bestellte. Er erzählte ihr, dass die Wohnung seines Freundes ausgebombt worden sei und dass er jetzt in einem Offiziersheim im Norden von London wohne, was er jedoch hasste.
»Ich verbringe die meiste Zeit allein. Und ich halte Ausschau nach einer anderen Unterkunft. Hab in Albany einen Burschen getroffen, der vielleicht bald ein Zimmer für mich hat. Und wie geht’s dir?«
Sie berichtete von Dinahs Wohnung und dann vorsichtig von ihrer Verlobung mit Guy. Sie wollte sehen, wie er darauf reagierte. Sie war sich nie sicher gewesen, was Peter
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