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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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hoffte, es wäre Guy gewesen.
    Dinah zuckte mit den Schultern. »Hat seinen Namen nicht genannt. Sagte, es sollte eine Überraschung sein.«
    Später rief Dinah »Auf Wiedersehen«, schlug die Tür zu, wie es ihre Gewohnheit war, und hinterließ eine Wolke von Maiglöckchenduft. Beatrice wusch ein paar Sachen und nähte gerade einen Knopf an eine Jacke, als es unten schellte. Sie drückte sich vom Sofa hoch, aber als sie im Treppenhaus die kultivierte Stimme von Mrs Elphinstone – der Witwe, die unten wohnte – hörte, setzte sie sich wieder. Einen Augenblick später klopfte es leise an der Eingangstür der Wohnung.
    Als sie die Tür öffnete, dachte sie zuerst, da sei niemand. Dann aber löste sich ein Mann aus dem Schatten. Als das Licht durch die Türöffnung auf sein Gesicht fiel und sie ihn wiedererkannte, starrte sie ihn erschüttert an.
    »Bea«, sagte er leise und drängend.
    »Nein!«, rief sie. »Rafe? Rafe?« Sie stieß ein Lachen aus, das hell und hysterisch klang.
    »Ich bin’s wirklich.« Er ging auf sie zu und umarmte sie, und sie warf ihre Arme um seinen Hals.
    »Du zitterst«, sagte er. Sie nickte und brach in Tränen aus.
    »Ich kann nicht glauben, dass du es bist!«
    »Also gut, ich bin es, obwohl ich mich manchmal selbst kneifen muss.«
    »Wir dachten … Wir alle dachten …«, brachte sie schluchzend hervor.
    »Dass ich tot wäre?« Er ließ sie los und blickte neugierig auf ihren Körper. »War ich auch fast. Viele Male.«
    »Wann bist du zurückgekommen?«, fragte Beatrice mit zitteriger Stimme. »Und wie? Weiß deine Mutter –«
    »Ja, ja. Beruhige dich. Ich werde dir all das erzählen. Bea, wie geht es dir? Etwas ist anders … Dein Gesicht ist anders. Bea, bist du …?«
    »Oh, lass uns jetzt nicht darüber sprechen«, sagte sie rasch. »Du bist es, um den ich mir Sorgen gemacht habe.«
    Als sie ihn ins Wohnzimmer führte, dachte sie, dass die Schwangerschaft ihr Aussehen beeinflussen mochte, aber dass sich an Rafe unendlich vieles verändert hatte. Er war in den Schultern breiter geworden – aber wie dünn er war, wie verhärmt! Vielleicht lag es ja an der Uniform, doch im abendlichen Licht sah er fünf, zehn Jahre älter aus als seine einundzwanzig. Er hielt seine Mütze umklammert, und als sie seine Hände sah, schrie sie entsetzt auf. Sie ergriff eine Hand und sah sie an. Eine lange rote Narbe verlief über den Handrücken, und die Nägel waren gebrochen. Die Handfläche, die auf ihrer weichen Hand ruhte, war schwielig und trocken.
    »Oh, Rafe!«, sagte sie tief betroffen. »Was haben sie dir nur angetan?«

KAPITEL 21
    »Auf der Straße nach Dünkirchen haben uns Panzer eingeholt, und der Kommandant hat uns gefangen genommen«, erzählte Rafe. Das war vor fünfzehn Monaten gewesen, im Mai 1940. »Dann wurden wir für ein paar Tage zusammen mit anderen Gefangenen, Franzosen, aber auch Engländern, in einer Scheune in der Nähe zusammengepfercht. Sie haben uns nur Essensreste und ein bisschen Wasser gegeben. Danach mussten wir marschieren. Wir wussten sofort, dass es nach Deutschland ging. Ziemlich grauenvolles Gefühl.«
    Er hielt inne, um sich eine Zigarette anzuzünden, und Beatrice sah, dass seine Hände zitterten.
    »Mein Gott, sie waren so brutal … manche von ihren Soldaten. Sie schienen uns Engländer zu hassen, ich weiß nicht, warum. Die Franzosen hatten es einfacher – nicht so viele Schläge und bessere Rationen. Wir sind wochenlang den ganzen Tag marschiert. Nachts haben wir in Kirchen oder Scheunen geschlafen. Als wir über die deutsche Grenze kamen, dachte ich: Das war’s!, und es war völlig absurd, dass die Landschaft so schön war, überall Weinberge. In Trier haben sie uns in Züge zu einem Durchgangslager verfrachtet, weiß Gott, wo das war. Dann wurden wir aufgeteilt. Ich wurde in ein Offizierslager für Kriegsgefangene in Ostdeutschland geschickt, und dort bin ich auch fast die ganze Zeit gewesen. Sie haben uns erzählt, es wäre unmöglich, aus dem Lager zu flüchten, aber ich habe es zehn Monate lang versucht und am Ende geschafft.«
    Rafe erzählte Beatrice, dass ein anderer Offizier ein Paket vom Roten Kreuz bekommen hatte, in dem entgegen den Vorschriften eine Landkarte und ein Kompass versteckt waren. Im Laufe der Zeit hatten sie dann einen Plan entworfen, bei dem es auch darum ging, Uniformen und Geld zu stehlen. Ein weiterer Gefangener hatte falsche Papiere für sie angefertigt. Zwei Monate später, Ende Juni, waren sie am helllichten Tag, als

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