Das Bienenmaedchen
über sie dachte. Es gab eine Verbindung zwischen ihnen, vielleicht erkannten sie die Einsamkeit des anderen, aber sie konnte diese Beziehung nicht festmachen. Es fiel ihr schwer, sich in seiner Gesellschaft zu entspannen. Man konnte Peter als attraktiv bezeichnen, daran gab es keinen Zweifel – mit diesem glänzenden, fast schwarzen Haar und dem Schatten eines Bartes unter der bleichen Haut. Betroffen erkannte sie, dass er sie an Guy erinnerte, doch seine unglückliche und ängstliche Miene ließ sie zurückschrecken.
»Ich hab gehört, dass es da jemanden gibt«, sagte er. Sie glaubte, dass sich die Züge um seinen Mund strafften, aber dann fuhr er leichthin fort: »Glückwunsch!« Anschließend fragte er nach Guy – nach seinem Regiment, aus welcher Gegend er stammte – und nickte bei ihren Antworten.
»Sie hat etwas von einem Luder, meine Schwester Angie«, sagte er schließlich und versteifte sich. »Dein armer Freund Ashton. Ich hab dich davor gewarnt, wie sie ist. Keine Nachricht von ihm, wie ich vermute?«
»Nein«, entgegnete Beatrice, die nun verärgert war. Die ganze Zeit hatte sie sich eingeredet, dass niemand außer Angie von ihren Hoffnungen in Bezug auf Rafe wusste. Sie hatte gedacht, sie hätte diese Gefühle tief vergraben und erstickt. Und hier war Peter, der das Leichentuch fortzog, um ihr Geheimnis mit einer grausamen Beiläufigkeit offenzulegen. Sie schaute beiseite. »Seit über einem Jahr hat keiner mehr etwas von ihm gehört. Noch nicht mal, ob er noch lebt.«
»Tut mir leid. Ich wollte dich nicht aufregen«, sagte Peter leise. »Doch dieser Bursche Guy – ich hoffe, er ist alles, was du dir wünschst.« Er musterte sie nachdenklich, aber falls er ihren Zustand erkannte, erwähnte er ihn mit keinem Wort.
»Danke«, sagte sie. »Das ist er.«
Peter hatte stets das Talent gehabt, dafür zu sorgen, dass sie sich scheußlich und unglücklich fühlte – als ob er direkt durch sie hindurchblicken würde. Sie wollte nicht wissen, was er dabei sah. Sie streifte ihre Handschuhe über und zwang sich dazu, eine Hand auszustrecken, um seine zu schütteln. Vermutlich nahm er an, er sei nett zu ihr gewesen. »Vielen Dank. Das Konzert war sehr schön.«
»Vielleicht kommst du irgendwann mal wieder mit«, sagte er ein bisschen verzweifelt, weil er merkte, dass er sie verletzt hatte. Dann ließ sie ihn stehen. Er drehte eine nicht angezündete Zigarette in den Fingern, und in seinem Gesicht stand das ganze Elend dieser Welt zu lesen.
Draußen auf dem Trafalgar Square rasten die Wolken über den Himmel, und es wehte ein kühler Wind. Ein alter Mann mit krummem Rücken fegte den Bürgersteig mit langsamen, ungeschickten Bewegungen. Der Wind peitschte Staubwirbel auf, sodass Beatrice’ Augen anfingen zu brennen. In diesen Tagen wunderte sich niemand über eine Frau, die auf der Straße weinte.
»Kopf hoch, Schätzchen«, sagte eine magere alte Frau mit einem zerlumpten schwarzen Kleid und einem Kopftuch. Sie saß auf der Treppe und fütterte die Tauben. »Da gibt’s welche, die haben Probleme, die sind schlimmer als unsere.«
Ein paar Tage später, Ende Juli, fühlte sich Beatrice beim Aufwachen träge und schwerfällig, doch sie zwang sich aufzustehen. Nachdem sie zum Frühstück einen trockenen Toast gegessen hatte, fühlte sie sich besser und ging wie üblich zur Arbeit. Es war die letzte Woche, in der sie als Fahrerin arbeitete, und sie konnte es kaum erwarten, diesen Job los zu sein.
Michael Wincanton hatte sie in der letzten Zeit nicht oft gesehen. Als sie ihm erzählte, dass sie zur Schreibtischarbeit abgestellt worden sei und diesen Wechsel begrüße, sah er sie erstaunt an. Aber er bedankte sich herzlich bei ihr und sagte, sie sollte unbedingt bei ihnen vorbeischauen, wann immer sie könne. Oenone würde sich freuen, sie zu sehen, betonte er. Beatrice war davon überzeugt, dass er nicht die geringste Ahnung von ihrem Zustand hatte. Jemand wird es ihm schon früh genug erzählen, sagte sie sich. Er war ein Mann, der die Dinge in Erfahrung brachte.
Als sie an diesem Abend nach Hause kam, müde und mit schmerzendem Rücken, lag im Flur ein Paket, das in einer unbekannten Handschrift an sie adressiert war. Sie öffnete es in der Küche und war entsetzt, als sie sah, dass ein halbes Dutzend Briefumschläge auf die Arbeitsplatte hinausglitten. Es waren all die Briefe, die sie an Guy geschrieben hatte und die nun ungeöffnet zurückkamen. Sie stand da und blickte auf sie hinunter – und die
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