Das Bienenmaedchen
von seinem Bruder erwartete. Sie hatte nicht den Mut gehabt, dieses Thema zur Sprache zu bringen.
Und in ihrer Situation als unverheiratete Mutter wagte sie nicht, auf irgendetwas zu hoffen. Sie dachte immer noch oft an Guy. Schließlich hatte sie ihn die ganze Zeit in ihrem gemeinsamen Sohn vor Augen. Aber sie spürte auch, dass ihre Gefühle für Rafe sich nicht geändert hatten, auch wenn sie vorsichtiger und härter geworden war und an ihr Baby denken musste.
Es war eine riesige Aufgabe, das Kind eines anderen Mannes anzunehmen. Rafe kannte das alles aus der Perspektive des Kindes: Er selbst hatte darunter gelitten, dass er seinen Vater verloren und einen Stiefvater vorgesetzt bekommen hatte. Nein, sie beschwor sich, nichts von Rafe zu erhoffen.
Sie verabredeten sich für ein neues Treffen. In den darauffolgenden Tagen konnte sich Beatrice kaum auf ihre Arbeit konzentrieren, weil sie immerzu an Rafe dachte. Dann kam der Samstagnachmittag, und sie packten das Baby in den Kinderwagen und gingen in den Zoo im Regent’s Park. Es gab zwar ein paar leere Käfige, doch es war überraschend, wie viele Tiere immer noch dort lebten.
»Glaubst du, dass sie auch auf Ration gesetzt worden sind?«, fragte Rafe grinsend, als die Seelöwen aus ihrem Teich auftauchten und hoffnungsvoll an der Einfriedung entlang hinter ihnen herzockelten.
»Wenn sie das zu fressen bekommen, was wir beim besten Willen nicht mehr essen können, sind sie schlecht dran«, erwiderte Beatrice und dachte dabei an die knorpeligen Koteletts, die Dinah kürzlich dem Metzger als Teil ihrer Fleischration für die Woche abgerungen hatte.
»Meinst du, dass er auf unserem Teller geendet ist?«, flüsterte Rafe, als er sah, dass der Pandabärkäfig leer war.
»Igitt! Das ist ja schrecklich!«, rief Beatrice. Sie hob den Kleinen aus seinem Wagen, um ihm die Affen zu zeigen, bereute es jedoch sofort, weil er aus irgendeinem Urinstinkt starr vor Angst wurde. Sie kuschelte ihn an ihre Schulter.
Mittags aßen sie in einem Café in der Nähe des Parks eine dünne Suppe und Reispudding. Die Kellnerin, eine mütterlich aussehende Frau mit weichem Busen, gab dem Baby gegenüber gurrende Laute von sich und sagte zu Rafe: »Er sieht Ihnen sehr ähnlich!«
»Das wäre ein Wunder«, entgegnete Rafe, ohne darüber nachzudenken, dass Beatrice sich durch diese lockere Antwort und das schockierte Gesicht der Frau verletzt fühlte.
Draußen wandte sich sie verärgert von Rafe ab und legte das Baby in den Kinderwagen.
»Es tut mir leid«, sagte Rafe zerknirscht. »Er ist ganz besonders hübsch. Deshalb ist es nur natürlich, dass er mir ein bisschen ähnlich sieht.«
»Ach, du!«, brachte sie gepresst hervor. Sie schob den Kinderwagen rasch vor sich her, wobei ihre Absätze auf dem Bürgersteig klackten. Wie konnte es sein, dass er immer noch eine solche Macht über sie hatte? Sie dachte, sie hätte sich weiterentwickelt und wäre erwachsen geworden. So war es auch, doch Rafe hatte das Loch in ihrer Rüstung erspäht und genau dort ihr Herz durchbohrt. Aber diesmal würde sie nicht blutend und hilflos liegen bleiben. Sie würde überleben!
Dennoch konnte sie nicht verbergen, dass sie verletzt war. Als sie in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel für die Eingangstür kramte, streckte er die Hand aus und berührte ihre Wange.
»Was ist los?«, fragte er.
»Was soll los sein?«, erwiderte sie und stieß ihn weg. Es gelang ihr nicht, den Schlüssel im Schloss umzudrehen, und sie schlug verärgert dagegen. Dann lehnte sie ihre Wange gegen die Tür und schloss die Augen.
»Lass mich mal«, sagte er mit fester Stimme und nahm den Schlüssel. Er öffnete die Tür und hielt sie auf, damit sie den Kinderwagen hineinschieben konnte.
Sie zog die Tür hinter sich zu, und in dem dunklen Flur, in dem jedes Geräusch widerhallte, nahm er sie in die Arme und zog sie an sich. »Es tut mir leid, es tut mir leid«, flüsterte er, wobei die Lippen ihr Haar berührten. »Ich sag einfach immer das Falsche.«
»Sei nicht albern!«, entgegnete sie heftig und klammerte sich an ihn. »Es ist nur, weil alles so schwierig ist.«
»Geht es dir gut?«
»Nein! Wie könnte es auch? Du gehst wieder weg!«
Hinter ihnen wachte der Kleine auf. Beatrice hob ihn aus dem Kinderwagen. Müde und mürrisch warf er die Ärmchen hoch und stieß mit seinem kleinen Kopf nach ihr.
»Du solltest jetzt besser gehen«, sagte sie, während sie versuchte, das Kind zu beruhigen. »Ich seh dich bald wieder,
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