Das Bienenmaedchen
die Arme um ihn und hielt ihn fest umschlungen.
»Du gehst nicht, ohne Auf Wiedersehen zu sagen, nicht wahr?«, flüsterte sie.
Das Baby, das über und über mit angekautem Keks bedeckt war, schaffte es, sich zweimal herumzurollen und klemmte nun mit einem Bein unter dem Tisch fest. Es stieß einen erstaunten Schrei aus, sodass Beatrice die Antwort von Rafe nicht hörte.
Und dann, als er gegangen war und sie die Krümel auffegte, fand sie es. Es hatte sich an der Spitzenborte eines Sitzkissens verfangen: ein kleines besticktes Abzeichen. Es hatte die Umrisse eines Flügelpaars – das Symbol eines ausgebildeten Fallschirmspringers. Es musste ihm aus der Jacke gefallen sein. Sie wusste sofort, was das bedeutete: dass er in große Gefahr geraten würde!
***
Zwei Tage später im Büro kam Daisy, die zierliche Empfangsdame, zu Beatrice hinüber, die sich stirnrunzelnd über ihre Schreibmaschine beugte, und reichte ihr eine Notiz. Mit einem achtsamen Auge auf ihre Vorgesetzte, Miss Goodwin, überflog sie rasch die kurze Nachricht. Sie war von Rafe. »Wir treffen uns mittags an der Statue.« Aus der Ferne dachte sie zuerst, es sei Rafe, der dort auf den Stufen saß und etwas auf einem Block notierte, den er auf seinem Knie balancierte. Dann schlenderte eine Gruppe Büromädchen an ihr vorbei und versperrte ihr die Sicht, und als sie wieder hinschaute, war er weg.
War es Rafe gewesen oder jemand anders? Sie wartete, schaute sich um und fragte sich, ob er wirklich diese Statue gemeint hatte. Also ging sie langsam und mit zunehmender Panik an den anderen Statuen vorbei, die sie sehen konnte. Er erschien nicht, und schließlich musste sie ins Büro zurückkehren. Es war der längste Nachmittag, den sie je erlebt hatte. Sie versuchte sich einzureden, dass er wieder Verbindung mit ihr aufnehmen und nicht gehen würde, ohne sie noch einmal zu sehen. Dreimal schob sie eine Entschuldigung vor, um hinausgehen und sich bei Daisy erkundigen zu können, ob jemand nach ihr gefragt hatte. »Ich verspreche dir, dass ich komme und es dir sage«, erklärte Daisy nachdrücklich. Sie war besorgt, dass sich jemand, der immer so ruhig und gefasst war wie Beatrice Marlow, in einem derart verängstigten Zustand befand.
Als Beatrice am Abend nach Hause kam, wartete keine Nachricht auf sie. Sie verfluchte das stumme Telefon unten im Flur. Schließlich rief sie Angie an und ließ sich die Nummer von Rafes Mutter geben. Nachdem sie sie gewählt hatte, meldete sich Rafes Stiefvater, Colonel Armstrong.
»Wir haben nicht die leiseste Ahnung, wo er ist. Wer, sagten Sie, sind Sie? Warten Sie bitte eine Minute, ich hole meine Frau.«
Einen Augenblick später war Rafes Mutter am Apparat. »Amanda Armstrong. Wer ist da, bitte?«, fragte sie in ihrer vornehmen, gedehnten Redeweise. »Ah, Beatrice Marlow – ja, ich erinnere mich an Sie … Meine Liebe, wir wissen nichts – nur, dass er fort ist.« Diese Frau klang völlig gelassen! »Ja, es war sehr plötzlich. Es tut mir so leid, dass er es nicht mehr geschafft hat, sich von Ihnen zu verabschieden.« Die vornehme Stimme zitterte nur bei dem letzten Wort.
KAPITEL 24
Tage vergingen, Wochen vergingen. Kein Brief von Rafe, kein Anruf, keine Nachricht über Daisy vom Empfang. Der Frühling des Jahres 1942 ging in den Sommer über, doch Beatrice nahm es kaum war. Die Hoffnung, von Rafe zu hören, schwand dahin, und an ihre Stelle trat die Angst. Beatrice vermied es, die Liste der Gefallenen in den Zeitungen zu lesen, und hasste es, den Hörer abzunehmen, wenn das Telefon klingelte. Jedes Mal wenn die Post kam – die treuen Briefe von ihrer Mutter mit dem Geld, das sie in dieser Woche hatte erübrigen können –, erinnerte sich Beatrice an jenen schrecklichen Tag, an dem sie von Guys Tod erfahren hatte.
»Was ist mit deinem jungen Mann passiert?«, fragte Dinah, und als Beatrice es ihr erzählte, sagte sie: »Oh, du hast wirklich kein Glück!«
Dinah war früher nach Hause gekommen als sonst. Beatrice fragte sich, ob sie sich mit ihrem Liebhaber gestritten hatte.
»Warum gönnst du dir nicht ein paar Tage Urlaub?«, fragte Dinah und fügte hinzu: »Du siehst ziemlich fertig aus.«
Im Badezimmerspiegel starrte Beatrice ihr bleiches, fleckiges Gesicht an und kam zu dem Ergebnis, dass Dinah recht hatte. Sie war unterernährt. Aber es waren nicht nur die kargen Mahlzeiten, die sie zermürbten, sondern auch die langen Arbeitstage, an denen sie anschließend das Baby versorgen und die Hausarbeit
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