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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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erledigen musste. Mit Rafes Verschwinden war der Funke, den er wieder entfacht hatte, erloschen.
    Im Juni nahm sie das Baby, stieg in den Zug und fuhr zu Angie. Sie hatte eine ganze Woche Ferien ausgehandelt, vor allem wegen ihrer angegriffenen Gesundheit.
    Angie war inzwischen im sechsten Monat schwanger und strahlte auf eine Weise, die Beatrice in der Stadt nur noch selten sah.
    »Es ist dieser schreckliche Eierlikör. Nanny zwingt mich, ihn zu trinken«, erzählte ihr Angie. »Ich kann ihn kaum noch runterkriegen.« Es gab eine Menge Eier, denn sie hielten sich jetzt Hühner, auch Kaninchen, um die Hetty sich zu kümmern hatte. Nüchtern und knapp notierte sie in einem Heft den Namen des Kaninchens, seinen Nachwuchs und das Datum, an dem es geschlachtet wurde. Selbst Angie konnte inzwischen einer Henne den Hals umdrehen, ohne sich anzustellen.
    Alle waren so begeistert von dem Kleinen, dass Beatrice ihn kaum für sich hatte. Er fand Angie zauberhaft, und sie lächelten sich an und plauderten miteinander wie ein Liebespaar. Nanny kümmerte sich darum, dass Beatrice’ Sohn gefüttert wurde und sein Schläfchen hielt, und Hetty trug ihn, wenn sie durfte, nach draußen, um die Tiere anzuschauen oder im Gras zu spielen.
    Angie wirkte in diesen Tagen unendlich zufrieden. Sie war glücklich verheiratet mit einem Mann, der sie anbetete und in Ehren hielt, und voller Vorfreude auf ihr Baby. »Ich weiß, die Leute sagen, das Kind würde in eine schreckliche Welt hineingeboren. Aber das Leben muss doch weitergehen, findest du nicht? Es muss doch Hoffnung geben!«
    Gerald kam ungefähr alle zwei Wochen für ein paar Tage nach Hause. Angie erzählte Beatrice, er arbeite an etwas »schrecklich Wichtigem mit den Amerikanern«, doch darüber könne sie kein Sterbenswörtchen sagen, selbst wenn er ihr etwas erzählt hätte, was er ohnehin nicht getan hatte.
    Es musste Hoffnung geben – das sah auch Beatrice so. Aber es irritierte sie, dass Angie sich irgendwie auf eine Insel zurückzog. Vielleicht hatte das etwas mit ihrer Schwangerschaft zu tun – eine Art Überlebensmechanismus, um das Baby zu schützen. Angie ließ es nicht zu, dass sie in ihrer Abgeklärtheit gestört wurde.
    Beatrice sprach nicht über Rafe. Sie betrachtete Angie zwar nicht mehr als Rivalin, aber ihre Gefühle für ihn waren zu tief und kostbar, um sie jemand anderem zu offenbaren – schon gar nicht Angie, die vermutlich nicht anders gekonnt hätte, als sich irgendwie einzumischen.
    »Ich wünschte, du würdest häufiger herkommen«, sagte Angie am Ende der Woche.
    »Das werde ich, natürlich werde ich das«, erwiderte Beatrice und drückte ihre Wange an die von Angie. Sie fühlte sich als Beschützerin ihrer Freundin. Solche Gefühle hatte Angie schon immer geweckt.
    »Auf Wiedersehen, kleiner Schatz«, sagte Angie und küsste das Baby, während sie es im Kinderwagen festschnallte. »Sei ein guter Junge, nicht wahr? Und komm Tante Angie bald wieder besuchen! Ach, er ist etwas ganz Besonderes, Bea. Was für ein Glück du hast! Du weißt, dass wir ihn jederzeit nehmen, wenn du mal eine Auszeit brauchst.«
    »Er ist völlig problemlos, nicht wahr, süßes Püppchen?«, erklärte Nanny. »Aber jetzt muss er seinen kleinen Sonnenhut aufbehalten, weil Nanny es ihm sagt.«
    Es fiel Beatrice schwer, wieder in ihr Alltagsleben zurückzufinden. Sie fühlte sich körperlich besser, doch während der freien Tage hatte sie erkannt, wie frustriert sie über ihr Leben war. Sie hasste Mrs Pophams abfällige Äußerungen, ihre Arbeit langweilte sie, und sie fühlte sich in ihrer Lage völlig machtlos. Allmählich lernte sie, mit der Tatsache zu leben, dass Rafe nicht da war, aber vor Kurzem hatte sie nachts wach gelegen und an Guy gedacht. Dabei war ihr klar geworden, dass sie nie wirklich die Chance gehabt hatte, um ihn zu trauern. Sie fragte sich, wie seine Familie ohne ihn zurechtkam. Vielleicht würde sie ihnen noch einmal schreiben.
    Mit diesen Gedanken schlenderte sie an einem Tag im Juli mittags zurück zu dem Büro in Whitehall, als ein Auto auf der gegenüberliegenden Straßenseite anhielt. Ein Mann streckte seinen Kopf aus dem hinteren Fenster und rief ihren Namen. Es war Michael Wincanton. Er bedeutete seinem Fahrer einzuparken, stieg aus und wartete darauf, dass Beatrice die Straße überquerte.
    Michael, der, wie sie schätzte, nun in den Fünfzigern war, war auf seine Weise – mit den breiten Schultern und dem kantigen Gesicht – noch immer ein gut

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