Das Bienenmaedchen
fröhliche Akkordeon-Klänge, an hübsche Bäume auf den Champs-Elysees und an Menschen, die zusammen draußen in den Cafés saßen. Die Leute hatten gelacht und geplaudert, während sie sich über Karaffen mit Wein und Damespiele beugten. Nun war die Atmosphäre gedrückt, und überall traf man auf Männer in Nazi-Uniform. Beatrice wusste, dass sie ihnen nicht in die Augen schauen durfte, und war erschrocken, als einer von ihnen sie anhielt, um mit ihr zu plaudern, und ihr eine Zigarette anbot. Sie lehnte höflich ab, wie Juliette Rameau es täte, lächelte und eilte davon.
Sie erreichte den Park um Viertel vor drei und suchte eine nahe gelegene öffentliche Toilette auf, wo sie sich in einer Kabine einschloss. Dort durchtrennte sie mehrere Fäden im Saum ihrer Jacke und zog die kostbare Seide vorsichtig aus ihrem Versteck. Als sie gerade ihre Kleidung glatt strich, versuchte jemand, die Tür zu öffnen, und sie hielt den Atem an.
»Pardon«, sagte eine Frauenstimme, und Beatrice entspannte sich wieder.
Im Park machte sie, wie man sie angewiesen hatte, den kleinen Springbrunnen ausfindig. In der Nähe war die Bank, die sie suchte, aber dort saß schon ein alter Mann. Eine Weile spazierte sie weiter und tat so, als würde sie sich an der Sonne und den Blumen erfreuen. Als sie zurückkam, stellte sie erleichtert fest, dass der Mann nicht mehr da war. Sie ließ sich auf der Bank nieder, zog ihre Handschuhe aus, öffnete ihre Zeitung und versuchte zu lesen.
Ein paar Augenblicke später setzte sich eine Fremde neben sie: eine ruhige junge Frau mit ernstem Gesicht, deren strenger schwarzer Anzug ihre anmutige Figur hervorhob.
»Un bei apres-midi, n’est-ce pas?«, murmelte sie. Beatrice ließ die Zeitung sinken. Ein schöner Nachmittag, ja, das war der Beginn der abgesprochenen Unterhaltung. Sie sah, dass die Frau einen hinreißenden porzellanfarbenen Teint hatte, der einen wunderschönen Kontrast zum Schwarz ihres Anzugs bildete. Und sie bemerkte, dass der Puls am Hals der Frau sehr schnell schlug. Sie war genauso nervös wie sie selbst.
»Bonjour« , erwiderte Beatrice, als ob sie höfliche Konversation machen würde, und zeigte auf die Zeitung. »Vous avez lu le journal aujourd’hui?«
Nun musste die Frau antworten, sie wäre noch nicht dazu gekommen, die Zeitung zu lesen, täte es aber gern.
»Non, j’étais trop occupée, mais j’aimerais bien le lire« , sagte die Frau.
Gut, dachte Beatrice, dies war eindeutig die erwartete Kontaktperson. »Voilà, prenez-le. J’ai fini.« Sie faltete die Zeitung zusammen und hielt sie der Frau hin, die sie entgegennahm – und damit auch das kleine Stück Seide, das darin versteckt war. Auf der Seide befand sich eine von Hand gezeichnete Karte, die ein anderer Agent nach London gebracht hatte. Dank dieses Umwegs konnte die Résistance einen Sabotageakt planen.
»Merci, madame« , sagte die Frau. »C’est très gentille.« Sie blickte beiläufig auf die Überschriften, bevor sie die Zeitung in die Einkaufstasche steckte, die neben ihr stand.
»Je vous en prie« , erwiderte Beatrice höflich, stand auf und nahm ihre Handschuhe.
Sie zwang sich, langsam wegzugehen, obwohl sie sich sehnlichst wünschte, sich rasch von der Karte und der Frau zu entfernen. Sie hatte die Aufgabe, derentwegen sie hergekommen war, erledigt und fühlte eine fröhliche Erleichterung. Aber sie wusste, dass sie immer noch wachsam sein musste. Wenn alles glattlief, würde sie ein weiteres Flugzeug morgen Nacht von einem anderen Berghang nahe Rouen nach Hause bringen. Aber was konnte nicht alles passieren, um das zu verhindern!
Und fast wäre es passiert. An den Toren zum Park blieb sie aufgrund irgendeiner seltsamen Anwandlung stehen und schaute zurück, wobei sie vom Sonnenlicht geblendet wurde. Als sie weiterging, stieß sie mit einem Mann zusammen.
»Oh!« Das S von Sorry lag bereits auf ihren Lippen, als sie zu ihrem Entsetzen feststellte, dass es ein deutscher Soldat war. Er packte sie am Arm, um sie zu stützen.
» Excusez-moi, Fräulein « , sagte er und lächelte sie entschuldigend an.
Sie lächelte scheu zurück und wollte weitergehen. Ihr Mund war trocken, der Puls hämmerte in ihren Ohren.
»Fräulein!«, rief er, und sie drehte sich um. Er hielt einen ihrer Handschuhe hoch, und in seinen Augen stand ein Ausdruck der Belustigung.
»Ah, merci« , murmelte sie und ging zurück, um den Handschuh zu nehmen. Der sympathische junge Mann von neunzehn oder zwanzig Jahren hatte sich ihr
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