Das Bienenmaedchen
würde sich wohl kaum viel dabei denken.
Tagsüber war es eine nützliche Tarnung für Beatrice, dass man beobachten konnte, wie sie hinter der Bar des Cafés arbeitete, den alten Männern Karaffen mit Wein brachte und dem Tratsch lauschte.
Das »Café le Coq« wurde nicht gerade häufig von den Deutschen aufgesucht. Es war zu einfach und lag zu versteckt. Die Soldaten bevorzugten das modernere Café gegenüber dem winzigen Rathaus am Platz, wo sie sehen und gesehen werden konnten. Es waren meist dieselben alten Leute aus dem Ort, die im »Coq« saßen, aber trotzdem waren Beatrice’ Nerven immer so straff gespannt wie Klaviersaiten.
An einem besonderen Juniabend beobachtete Beatrice, wie die Sonne hinter den Feldern unterging und die Glühwürmchen als kleine Punkte im Gras aufleuchteten. Ihre Gedanken gingen auf Wanderschaft. Sie dachte an ihr Zuhause, obwohl sie wusste, dass sie das nicht durfte – und die heranstürmende Sehnsucht war überwältigend. Hastig ging sie zurück in ihr Zimmer. Es deprimierte sie. Das schmale Bett mit der klumpigen Matratze auf den nackten Holzdielen, die gesprungene Waschschüssel neben dem Wasserkrug auf der Kommode und der wackelige Holzstuhl, der geräuschvoll knarrte, wenn sie sich darauf setzte. Noch schlimmer war, dass es nur von einer trüben, von der Decke herabhängenden Glühbirne erhellt wurde, die wahnsinnig flackerte. Manchmal wurde der Strom ganz abgeschaltet, dann musste sie sich mit einer Kerze begnügen, die schrecklich rauchte, wovon sie Kopfschmerzen bekam. Da war es fast besser, gleich ins Bett zu gehen, wenn es dunkel wurde.
Sie hatte sich gerade das Gesicht gewaschen, als es leise an der Tür klopfte. »Abendessen ist fertig.« Es war Rafes Stimme.
»Ich komme«, erwiderte sie, aber als sie die Tür öffnete, war er schon nach unten gegangen.
Sie runzelte die Stirn. Seit jener ersten Begegnung hier war er ihr aus dem Weg gegangen. Also, genau genommen, nicht aus dem Weg gegangen. Sie mussten ja zusammenarbeiten, und er redete natürlich mit ihr und gab sich alle Mühe. Aber er war distanziert und verschlossen, und das verletzte sie. Sie konnte es nicht verstehen. Sie wusste, dass er unter enormem Druck stand – diese weißgraue Blässe in seinem Gesicht verschwand nie. Allmählich gruben Müdigkeit und Unruhe Falten in seine Stirn.
Beatrice spürte, dass das Leben hier für ihn schlimmer war als für sie. Schließlich konnte er nie aus dem Haus gehen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen, weil alle jungen Männer zur Zwangsarbeit fortgeschickt worden waren und weil er – ja, das musste sie zugeben – ziemlich englisch aussah. Und er brauchte nur den Mund aufzumachen, um zu bestätigen, dass er kein Franzose war. Zudem gab es Dinge, die er ihr nicht sagen konnte. Selbst hier, im Zentrum ihrer Aktionen, galt der Grundsatz, anderen nicht mehr mitzuteilen, als sie wissen mussten, um ihre jeweilige Rolle zu spielen – für den Fall, dass sie von der Gestapo aufgegriffen wurden. Was sie nicht wussten, konnten sie nicht weitererzählen. Rafe wusste wahrscheinlich alles, vermutete sie, und er enthielt es ihr vor. Zu ihrem Schutz – sicherlich –, doch es war schwer, dass so viel zwischen ihnen stand.
Nach jenem ersten Tag hatte er peinlich genau darauf geachtet, Französisch mit ihr zu sprechen. Selten redete er mit ihr über etwas, das mit ihrem normalen Leben zu tun hatte. Hier waren sie Florian und Paulette, und sie fühlte sich furchtbar, furchtbar einsam.
Sie schob ihre Füße in die Hausschuhe, die Brigitte ihr geschenkt hatte – abgenutzte Pantoffeln, die von Brigittes Ballenzehen ausgebeult waren –, und ging nach unten.
»Dieser Mann war heute wieder im Café«, berichtete Brigitte ihrem Mann.
»Was für ein Mann?«, knurrte Gaston. Er fuhr sich mit seiner Serviette über das Gesicht und brach sich noch ein Stück Brot ab, das er in seinen Eintopf tunkte.
»Du weißt, wen ich meine«, sagte Brigitte zu Beatrice, die daraufhin nickte. Es war jener modisch gekleidete Mann, der am Tag ihrer Ankunft in dem dunklen Winkel gesessen hatte. Vorhin hatte er in passablem Französisch einen Kaffee bestellt. Niemand wusste, was er beruflich machte, aber Marie behauptete, sie hätte ihn aus der Polizeiwache kommen sehen, und deshalb vermuteten sie das Schlimmste.
»Irgendwas stimmt nicht mit ihm«, verkündete Brigitte und schüttelte den Kopf. »Ich mag ihn jedenfalls nicht.«
»Du magst alle möglichen Leute nicht«, sagte Gaston.
»Misstrauisch zu sein
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