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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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ich verstanden habe, hat deine Erzieherin vor dem Krieg eine Weile in Deutschland gelebt? Ich wünschte mir, Angelina hätte sich mehr für Sprachen interessiert. Das wäre ihr jetzt nützlich. Miss Starlings Unterricht muss ziemlich unterhaltsam gewesen sein.«
    Tatsächlich hatte Miss Starling die Lektionen der Mädchen – Arithmetik, Englisch, Erdkunde und Geschichte, dazu noch ein bisschen Deutsch und Naturkunde – recht interessant gestaltetet, wenn sie auch gelegentlich durch schaurige Schmerzensschreie aus der Zahnarztpraxis unterbrochen wurden. Aber jetzt war die arme Miss Starling wieder nervenkrank geworden und hatte zu Beginn der langen Sommerferien beschlossen, zu ihrer verwitweten Schwester nach Weston-super-Mare zu ziehen.
    Mrs Wincanton streifte sich ein Paar weiße Handschuhe über und bemerkte über Beatrice’ Kopf hinweg: »Mrs Marlow, ich glaube, sie wird das schon ganz gut machen. Sprechen Sie mit Ihrem Gatten über die Angelegenheit, und lassen Sie mich wissen, was Sie entschieden haben. Die Kosten werden recht moderat sein, das versichere ich Ihnen. Auf Wiedersehen, Liebes«, fügte sie an Beatrice gewandt hinzu.
    Verwirrt stammelte diese eine Antwort und folgte Mrs Wincanton und der Mutter in den Flur. Die Köchin öffnete die Haustür. Hinter der Gartenpforte glänzte der schwarze Kotflügel eines Automobils. Nachdem sie zugeschaut hatten, wie es Mrs Wincanton forttrug, berührte Mrs Marlow Beatrice’ Hand und flüsterte: »Nun, ma petite , ich habe keine Ahnung, was dein Vater sagen wird.«
    »Über was sagen wird, maman ?«, fragte Beatrice. »Ich verstehe nicht.«
    Ihre Mutter drückte wie zum Gebet die Handflächen gegeneinander, obwohl sie nach außen hin keine sehr religiöse Frau war. »Mrs Wincanton möchte, dass du jeden Tag nach Carlyon Manor gehst, als Gesellschaft für ihre Tochter Angelina.« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Von September an würdest du mit ihr und ihrer kleinen Schwester gemeinsam lernen. Eine Miss Simpkins lebt dort im Haus und unterrichtet die Mädchen jeden Morgen. Die Jungen werden natürlich in der Schule sein. Mrs Wincanton sagt, Angelina braucht die Gesellschaft eines passenden Mädchens in ihrem Alter, und ihr beiden seid nur einen Monat auseinander.«
    »Oh!« Sie würde mit Angelina zusammen sein. Beatrice wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte. Was hatte sie – die schmale, schüchterne Beatrice – der schönen, goldenen Angelina anzubieten? Das Mädchen war also einen Monat älter als sie selbst. Und wenn sie im August Geburtstag hatte, war sie ihr ein ganzes Schuljahr voraus. Aber sie gingen ja nicht zur Schule.
    »Ich werde mit deinem Vater sprechen.« Mrs Marlow seufzte. »Ich hoffe, er ist einverstanden.«
***
    Es folgten tagelange Diskussionen.
    »Es ist eine wunderbare Chance für sie«, sagte Delphine.
    »Wir werden den Wincantons verpflichtet sein«, hielt Hugh dagegen. »Und sie wird sich daran gewöhnen, auf großem Fuß zu leben.«
    »Ach komm, das ist Unsinn – nicht unsere kleine Beatrice«, entgegnete sie.
    Erstaunt über die ungewöhnliche Beharrlichkeit seiner Frau gab Hugh Marlow zu guter Letzt nach.
    Es war Anfang Juli, als Beatrice zum ersten Mal oben in das Haus eingeladen wurde. Ihre Mutter begleitete sie. Den Klippenpfad hoch, dann ein kurzer Spaziergang an einem reifenden Getreidefeld entlang bis zu einem Weg, der zwischen steinernen Hecken zu Carlyon Manor führte. Beatrice sehnte das Haus herbei. Dann kamen sie um die letzte Biegung der Auffahrt, und endlich war es da – ein stattliches, ausgedehntes Gebäude aus Cornwall-Granit mit Fenstern in Diamantschraffur, hohen Schornsteinen und einem Schieferdach. Sie gingen an einem Krocketspiel vorbei, das verlassen auf dem Rasen vor dem Haus lag. Als sie sich der Eingangspforte näherten, wurden ihre Schritte langsamer. Delphine sagte nichts, umfasste jedoch die Hand ihrer Tochter fester.
    Ein kleines Dienstmädchen mit Knopfaugen wie ein Zaunkönig empfing sie. »Die Herrin ist noch ausgeritten«, teilte sie ihnen mit und führte sie in den Salon, damit sie dort warteten.
    Beatrice, die noch nie an einem so prächtigen Ort gewesen war, war fast geblendet vom Sonnenlicht, das sich in den elektrischen Kronleuchtern spiegelte. Die Verandatüren standen offen. Dahinter fiel der Blick auf Rasenflächen und Blumenbeete und Bäume, die sich im Wind wiegten.
    »Darf ich in den Garten gehen?«, fragte sie ihre Mutter.
    »Nein, mon amour , deshalb hat man uns nicht

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