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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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immer auslachen. Es ist ja nicht mein Fehler, dass Mädchen kein Griechisch oder Latein lernen. Dabei klingt das lustiger als die langweilige alte Erdkunde. Obwohl Miss Simpkins immer sagt, ich würde es einfach nicht versuchen. Und was ist mit dir?«
    Beatrice war verblüfft über diese lange, komplizierte Rede, brachte es aber fertig zu antworten: »Ich mag Erdkunde.« Sie liebte es, Landkarten zu betrachten und die unvertrauten Namen von Städten und Flüssen vor sich hinzusagen. Doch als sie die Verärgerung des Mädchens spürte, fügte sie schnell hinzu: »Na ja, manchmal.«
    Sie war hin- und hergerissen: Einerseits fürchtete sie, diesem außergewöhnlichen Mädchen zu missfallen, wenn sie ihm nicht zustimmte. Andererseits war sie immer noch gekränkt über ein kürzliches Missverständnis, als ihre Mutter angenommen hatte, sie hätte gelogen. »Du musst immer die Wahrheit sagen, Beatrice«, hatte ihr die Mutter in ihrem Englisch mit französischem Akzent gepredigt. »Selbst wenn es Schwierigkeiten mit sich bringt. Deine Aufrichtigkeit ist das Wertvollste.«
    Erleichtert stellte Beatrice fest, dass Angie immer noch lächelte. Aus der Nähe konnte sie ihre großen, klaren blauen Augen und ein paar vereinzelte, nur sehr blasse Sommersprossen auf der cremefarbenen Haut erkennen. Sie musste im gleichen Alter sein wie sie selbst – oder ein bisschen älter, dreizehn vielleicht -, war schon recht groß und hatte lange, ätherische Gliedmaßen. Dabei strahlte sie Selbstsicherheit aus. Ihre Bluse saß stramm über der Brust, und als sie sich niederhockte, um in dem Eimer herumzustöbern, hatte auch diese Bewegung etwas Selbstbewusstes.
    »Tut mir leid – rede ich zu viel?«, fragte Angie mit einem reizenden Stirnrunzeln. »Unsere Kinderfrau sagt, dass leere Gefäße den meisten Krach machen. Meine Güte, schau dir diesen gestreiften Fisch an! Er ist zum Fressen schön. Nicht wirklich, natürlich. Ich meine, es ist einfach ein himmlisches Blau, findest du nicht? Ich liebe alle Tiere, aber Pferde am meisten.«
    »Oh, ich auch!«, rief Beatrice unwillkürlich.
    »Hast du ein Pferd? Wir haben zwei. Sie gehören Mummy, aber ich darf auf Cloud reiten. Er ist nur ein Pony, aber es stimmt wirklich, dass Jezebel beißt. Cloud heißt eigentlich Claud, aber er ist ein Grauer, was bedeutet, dass er weiß wie eine Wolke ist, und deshalb passt Cloud viel besser zu ihm. Findest du nicht auch?«
    Bevor Beatrice gestehen konnte, dass – nein – ihre Familie keine Pferde hatte und sie wahrscheinlich auch in tausend Jahren niemals ein Pferd haben würde, rief ein Junge mit tiefer Stimme: »Angie!« Sie sah, dass die anderen Kinder über den Sand auf sie zueilten. Dort, wo die Felsen begannen, warteten sie in einer Reihe.
    »Angie,«, sagte das kleine Mädchen, »du musst kommen. Sofort!«
    Edward, der Älteste, der Griechisch lernte, stand da und hatte die Arme in die Seiten gestemmt. »Guten Tag«, begrüßte er Beatrice auf eine höfliche, sehr erwachsene Weise. Dann wandte er sich an Angie: »Hör mal, kannst du mit Hetty unsere Schuhe und die Sachen holen? Ich bin dafür, dass wir rüber zur anderen Bucht gehen.« Alle fünf blickten dorthin, wo sich zwischen dem Meer und den gezackten Felsen der Landzunge ein Durchgang aus nacktem Sand geöffnet hatte. »Ich will diese Höhle finden, von der Daddy uns erzählt hat.«
    Peter, der Zweitälteste, untersuchte eine kleine Schnittwunde an seinem Arm. Als er zu Beatrice aufsah, waren seine schwarzen Augen ausdruckslos und undurchdringlich. Verlegen machte sie einen Schritt nach hinten, und ihr Fuß stieß gegen den Eimer.
    »Pass doch auf, du Dummchen!«, rief Hetty.
    Alle sahen, wie der Eimer schwankte und dann wieder zum Stehen kam.
    »Auf Wiedersehen, Beatrice. Hör zu, Hetty, du bleibst hier bei den Jungen. Ich bin dann schneller zurück. Du gehst besser nicht ohne mich, Ed«, fügte sie an ihren Bruder gewandt hinzu. Mit dem seltsam schreitenden Gang von jemandem, der es nicht gewohnt ist zu rennen, machte sie sich auf den Weg zum Strand. Hetty starrte in den Eimer von Beatrice und danach stur in deren Gesicht, bevor sie sich umdrehte und ihren Brüdern zurück zum Strand folgte. Dort vertrieb sich Edward die Zeit, indem er im Sand Radschlagen übte. Peter schleuderte Kieselsteine in die Wellen, und zwar mit übertriebener Kraft, wie es Beatrice erschien. Oben auf der Düne konnte man die gutmütige Angie sehen, wie sie Handtücher, Kleidungsstücke und Schuhe in eine Strohtasche

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