Das Bienenmaedchen
beängstigend hellen Sonnenschein. Wie in Trance ging sie langsam zum Haus der Brookers. Sie war sich bewusst, wie sehr sie sich noch vor Kurzem über eine Einladung von Rafe gefreut hätte. Das war nun vorbei. Um sie herum leuchtete der Sommer, aber in ihrem und Rafes sonnigen Leben war eine Seite umgeblättert worden, und die Geschichte hatte sich verdüstert.
»Ah, unsere junge Heldin«, sagte Mrs Brooker, als sie die Tür öffnete. »Rafe wird so glücklich sein, wenn er dich sieht, Liebes.« Sie war gut zehn Jahre jünger als ihr korpulenter Ehemann, elegant und knochig wie ein Windhund. »Er nimmt es sehr schwer. Aus irgendeinem Grund glaubt er, das Ganze wäre sein Fehler gewesen. Er ist draußen im Garten. Er soll sich natürlich ausruhen.«
Rafe saß zusammengekauert auf einer Bank und warf einen alten Tennisball von einer Hand in die andere. Als er Beatrice sah, stand er auf, steckte den Ball in die Tasche und legte seinen Unterarm über die Augen. Sie erkannte sofort, dass er geweint hatte. Sein Gesicht war fleckig und verschwollen, und er hatte eine Beule an der Stirn, schien aber ansonsten nicht verletzt zu sein.
»Der Arzt hat gesagt, dass er bald wieder auf dem Damm sein wird«, sagte Mrs Brooker und drehte die Ringe an ihren manikürten Händen. »Wie wär’s jetzt mit einem Schluck Limonade? Das wird uns alle ein bisschen aufmuntern. Und die Köchin hat einen Schokoladenkuchen gebacken, für den man sterben … Oh, ich bin so dumm!« Sie sah Rafes ungläubiges Gesicht, drehte sich um und eilte ins Haus.
»Sie bemüht sich, freundlich zu sein«, sagte er und setzte sich wieder. Er zog den Tennisball heraus und drehte ihn in seinen Händen. »Ich muss mich bei dir bedanken, Beatrice. Alle sagen, du wärst einfach toll gewesen. Hast mir das Leben gerettet und das alles. Was soll ich sagen?«
»Du brauchst nichts zu sagen«, antwortete sie und ließ sich neben ihm nieder. »Es war Harry, der wusste, was zu tun war.«
»Armer alter Sturton.« Seine Stimme endete mit einem Piepsen. Sein Gesicht verzog sich, seine Schultern bebten, und er fing an zu schluchzen.
Beatrice streckte die Hand aus und berührte seinen Arm. Zu ihrer Überraschung wandte er sich zu ihr um. Sie konnte nicht anders, als ihn in ihre Arme zu ziehen, und er weinte laut an ihrem Hals.
»Entschuldige«, murmelte er zwischen den Schluchzern. »Es tut mir so leid. Ich wünschte, meine Mutter wäre hier.«
Einen Moment lang saßen sie so da. Tief berührt streichelte sie sein Haar, so wie ihre Mutter über das ihre gestrichen hatte. Wie einsam er sich fühlen musste! Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Mrs Booker eine große Hilfe war, und der Colonel war nirgendwo zu sehen. Rafe brauchte sie. Bisher hatte niemand sie wirklich gebraucht, nicht einmal Angelina.
Bald wurde er ruhiger, dann löste er sich von ihr.
»Tut mir leid«, sagte er. »Ich konnte mich nicht zusammenreißen. Weiß nicht, was du jetzt denkst.« Er zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche und putzte sich die Nase.
»Ist schon in Ordnung, ehrlich«, sagte sie.
Verlegen saßen sie da, ohne sich anzuschauen.
»Ich soll seine Eltern besuchen«, sagte Rafe dumpf. »Ich will das nicht, aber natürlich muss ich. Ich weiß nicht, was ich ihnen sagen soll. Ich hätte verhindern müssen, dass wir so weit rausgefahren sind. Es ist wirklich meine Schuld. Alles meine Schuld. Es ist immer meine Schuld.«
Wie merkwürdig, so etwas zu sagen. Beatrice dachte daran, wie sie oben von der Klippe im aufziehenden Sturm das Paddelboot gesehen und nicht gewusst hatte, was es war. Vielleicht hätte sie es erkennen und Alarm schlagen müssen. Ein Abgrund von Schuld öffnete sich in ihrem Innern. Die Hölle, darüber nachzudenken, wie es auch hätte sein können.
»Es ist nicht deine Schuld, Rafe!«, sagte sie verzweifelt. Ein Satz von Mrs Wincanton kam ihr in den Sinn. »Wirklich, du brauchst das nicht einfach so auf dich zu nehmen.«
»Aber es war meine Idee, das Paddelboot zu kaufen. Ich hab ihn dazu überredet.«
»Du konntest den Sturm nicht voraussehen. Er kam für uns alle überraschend.«
»Du verstehst das nicht«, sagte er, wandte sich ihr zu und sah ihr mit wildem Blick in die Augen. »Es ist immer meine Schuld! Es ist wie ein Fluch.«
»Was meinst du damit?« Sie war fast froh, dass Arlene Brooker in diesem Moment auftauchte und ein Tablett mit der Limonade und dem Kuchen vor sich hertrug, für den man sterben könnte.
Danach sahen sie sich fast täglich. Dann
Weitere Kostenlose Bücher