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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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düsteren Schleier verschwand. Als sie auf das Meer hinausstarrte, sah sie schwarze Wolken, die sich über das Wasser auf sie zuwälzten. Doch direkt unter ihr glitzerte die See immer noch in der Sonne. Bald darauf nahm sie wahr, dass die Vögel verstummten. Ein kühler Luftzug streifte sie, in dem ein schwacher Regengeruch schwebte. Während sie auf das Meer unter sich schaute, verblasste sein Glanz, und es wurde trüb wie flüssiges Blei. Pferd und Reiterin quälten sich den breiten Klippenstreifen hinter den Bäumen entlang, die an Carlyon grenzten. Als sie an den verborgenen Stufen vorbeikamen, die nach unten zur zweiten Bucht führten, wurde Beatrice klar, dass ein Sturm aufzog – und dass er außerdem rasch herankam. Sie würde noch bis zum nächsten Felsvorsprung reiten, entschied sie, und dann rechtzeitig umkehren und zurückzukehren, bevor der Sturm sie erreichte.
    Sie trotteten weiter – das Pony kam nur schwerfällig voran. Beatrice beobachtete den düsteren Schleier, der näher heranwogte, den Himmel tintenschwarz einfärbte und die See verhüllte. Weißes Licht blitzte auf. Ein Regenspritzer traf ihre Wange, dann noch einer. Das Ziel war erreicht, und sie drehte das Pferd rasch um. Mit der Nase in Richtung Heimat wurde es williger und fiel in Trab. Aber als sie die Abzweigung zurück zum Stall erreichten, blies bereits ein schneidender Wind. Beatrice hielt an und warf einen letzten Blick hinaus auf das anschwellende Meer. Da war ein Segelboot, das vor dem Wind flüchtete. Es steuerte um die Landspitze zum Hafen von Saint Florian. Weiter draußen bewegte sich ein kleines Ruderboot Zentimeter für Zentimeter auf die Küste zu. Sie sah einen Augenblick lang hin und dachte, dass sich die Leute besser beeilen sollen. Dann folgte ein weiteres großes Donnergetöse. Cloud bäumte sich erschrocken auf, dann stürmte er in wildem Galopp los. Er ignorierte die Anweisungen seiner Reiterin – seine Sinne waren nur noch auf den Stall und seine Sicherheit ausgerichtet.
    Beatrice ließ die Zügel fallen und warf sich nach vorn. Sie schlang ihre Arme um den Hals des Ponys und befahl ihm keuchend anzuhalten. Irgendein Instinkt riet ihr, die Steigbügel wegzutreten, sodass sie, als sie schließlich fiel, einen sauberen Sturz hinbekam – in eine weiche, wenn auch stachelige Hecke. Darin war sie gefangen, bis sie sich, weinend und zerkratzt, selbst Stück für Stück daraus befreite. Der Regen machte nun ernst. Große Tropfen klatschten ihr ins Gesicht und auf die nackten Unterarme. Die ganze Landschaft verschwand in dichtem Sprühregen, der unregelmäßig von einem Aufleuchten und Donner begleitet wurde. Während sie auf den Stall zustolperte, dachte sie: Armer alter Rafe, armer James Sturton. Sie beide waren am Strand und mussten nun das große Boot nach Hause schleppen … Und dann – es war wie ein Stich, der ihr einen fast körperlichen Schmerz bereitete – zählte sie eins und eins zusammen.
    Diese Erkenntnis war immer noch nicht ganz ins Bewusstsein gedrungen, als sich vor ihr eine sehr große Gestalt aus dem Dunst herausschälte. Einen Moment lang war sie erschrocken, aber dann sah sie, dass es Harry war, eingehüllt in Ölzeug.
    »Gott sei Dank, Sie sind wohlauf, Miss!«, rief er, als er bei ihr war. Er packte sie an den Schultern. Sein Atmen ging keuchend. »Ihr Gesicht! Geht es Ihnen gut?«
    Sie fasste sich an die Wange, und Blut und Regen rannen an ihren Fingern herab. »Nur Kratzer«, erwiderte sie über den Lärm des Sturms hinweg. »Von der Hecke. Ist …?«
    »Cloud ist in seinem Stall in Sicherheit. Ich hab mir solche Sorgen gemacht – Sie hätten ja überall runtergefallen sein können. Jetzt laufen Sie mit mir rüber, sonst holen Sie sich den Tod.«
    »Harry, nein!« Ihre Zähne klapperten. »Der Strand. Du musst mitkommen. Schwierigkeiten. Ein Freund von mir. Da ist auch noch ein anderer Junge.« Sie konnte keinen sinnvollen Satz zusammenbringen.
    »Aber Sie sind pitschnass, Miss Beatrice!«
    »Egal! Wir müssen uns beeilen. Sie sind draußen in einem Boot. Sie werden nicht mehr rechtzeitig zurück sein.«
    Sie starrte in sein wettergegerbtes, vom Regen verschmiertes Gesicht, und er sah, wie dringlich es für sie war. »Warten Sie eine Sekunde!«, rief er und verschwand wieder im Nebel. Als er zurückkam – lange Minuten später –, hatte er Ölzeug für sie bei sich und eine Rolle Seil.
    Der Strand war verlassen. Die See, vor Kurzem noch gut gelaunt, war zu einer tobenden Bestie geworden. Sie

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