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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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gemeinsam von Miss Simpkins unterrichtet werden. Beatrice’ Eltern wiesen sie auf verschiedene Möglichkeiten hin. Miss Simpkins hatte vorgeschlagen, Beatrice für drei Jahre auf eine ordentliche Schule zu schicken, einer aufgeklärten, die junge Damen auf die Universität vorbereitete.
    »Und was soll Beatrice nach der Universität machen? Hauslehrerin werden?«, höhnte ihr Vater, als ihre Mutter darüber sprach.
    »Mrs Wincanton hat gesagt, dass sie Beatrice zusammen mit Angelina offiziell in die Gesellschaft einführen will. Im September schicken sie Angelina dann auf die Schule in Paris, damit sie den letzten Schliff bekommt.«
    »Und du glaubst, wir könnten uns dieses ganze Theater leisten?«
    »Sie würde bei ihnen in London wohnen. Da wäre zwar noch die Sache mit den Kleidern und den anderen Ausgaben, aber es wäre eine großartige Chance für sie, Hugh. Vorher könnten wir sie für ein paar Monate zu meiner Familie in die Normandie schicken. Sie muss irgendetwas tun! Was soll sie hier in Saint Florian mit sich anfangen?«
    »Wir können sie nicht nach Frankreich schicken. Die Wincantons können tun, was sie möchten. Aber ich halte die politische Situation für zu unsicher.«
    »Vielleicht hast du recht, aber ich weiß nicht, was wir sonst mit ihr machen sollen.«
    »Könnte mich mal jemand fragen, was ich möchte?«, warf Beatrice verärgert ein. Ihre Mutter zog ihre zarten Augenbrauen hoch.
    »Und was möchtest du, Beatrice?«, fragte ihr Vater mit einem ironischen Unterton in der Stimme.
    Sie überlegte. Am liebsten wäre es ihr gewesen, wenn alles so blieb, wie es war. Dass dieser Sommer andauerte. Dass Rafe nicht zur Schule zurückkehrte. So konnte es natürlich nicht sein, aber sie war nicht in der Lage, sich etwas anderes vorzustellen.
    »Vielleicht nach London gehen?«, sagte sie schließlich. »Mit Angelina.«
    Je länger sie darüber nachdachte, desto stärker wurde dieser Gedanke. Sie fing an, sich in Tagträumen das Leben dort vorzustellen, und sah die Straßen mit den großen weißen Häusern, die sie in Filmen gesehen hatte, vor ihrem inneren Auge: Straßenbahnen und Busse, das Parlamentsgebäude und den Buckingham-Palast, wie sie sich herausputzten und Feste feierten – obwohl sie nicht sicher war, ob ihr das gefallen würde. Angelinas Vater lebte in Kensington, hatte man ihr erzählt. Sie ging davon aus, dass sie alle bei ihm wohnen würden, und diese Vorstellung war einfach herrlich.
    Doch bis dahin dauerte es noch ein Jahr, ein weiteres wunderbares Jahr, das sie durchleben würde, bevor diese Dinge entschieden werden mussten. Sie genoss den Unterricht bei Miss Simpkins und hatte gierig die Bücher verschlungen, die sie ihr geliehen hatte: die Werke von Jane Austen und George Eliot und den Brontës. Der Roman von Virginia Woolf verwirrte sie jedoch. Ihr Vater hatte es widerwillig zugelassen, dass sie sich einige ledergebundene Bücher von Charles Dickens und eine wunderschöne Ausgabe von Gilbert Whites Natural History of Selborne aus seinem Arbeitszimmer ausgeborgt hatte.
    Gegen Ende der Ferien wurde Rafe für eine Woche von einem Schulfreund eingeladen, der im Landesinneren wohnte. Beatrice, die ihn schrecklich vermisste, verbrachte die Tage mit ihren alten Hobbys: Sie sammelte Insekten, pflückte Blumen und trocknete sie und durchsuchte die Gezeitentümpel. Manchmal ritt sie auf Cloud aus. Und hin und wieder machten sie jetzt Ausflüge. Ihr Vater, der in diesen Sommer kräftiger wirkte, lieh sich gelegentlich das Auto eines seiner Bridge-Partner aus, und sie fuhren zur Nordküste hoch. Dort waren die Klippen höher und unbarmherziger, und in den zerklüfteten Felsen hatten sich Tümpel gebildet, in denen es von Arten wimmelte, auf die sie in Saint Florian nicht gestoßen war. Einmal entdeckte sie eine große, tote blaue Qualle, die am Strand angeschwemmt worden war. Sie kauerte sich über den Kadaver und blätterte ihr Buch durch. Das Bild, das sie fand, zeigte das dreieckige Segel des Tieres – »wie eine alte portugiesische Karavelle«, hieß es in der Beschreibung. Sie schaute auf das Meer hinaus und stellte sich vor, wie unheimlich eine Armada aus diesen giftigen Kreaturen aussehen musste, wenn sie über das Wasser herannahte. Später beobachtete sie, wie ein alter Mann den Kadaver auf einer Schaufel wegtrug und ihn weiter oben am Strand beerdigte.
    Ende August 1937 kehrten die Wincantons nach Hause zurück – ihr Vater blieb nur ganz kurz –, und mit ihnen kamen zwei kleine

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