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Das Bienenmaedchen

Das Bienenmaedchen

Titel: Das Bienenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Hore
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ein, altgolden wie Getreide, das darauf wartet, geerntet zu werden. Sie sah das Schimmern seiner blassbraunen Haut und war fasziniert vom Puls, der an seinem Hals pochte. Seit jenem Tag im Garten der Brookers hatten sie sich, außer aus Zufall, nicht mehr angefasst. Die Angelegenheit war nie wieder erwähnt worden, aber Beatrice erinnerte sich daran und hütete sie wie einen Schatz, wenn sie in heißen Augustnächten schlaflos im Bett lag. Seine Haut hatte salzig gerochen, und selbst der leichte Schweißgeruch war nicht unangenehm gewesen, sondern eher verführerisch.
    Manchmal sprachen sie über tiefergehende Themen. Über seine Mutter zum Beispiel, die weit weg in Indien war. Beatrice glaubte, dass Rafe sie mehr vermisste, als er es je zugeben würde. Über seinen Vater, der starb, als Rafe erst sechs war, oder über seinen älteren Halbbruder, der nun in Sandhurst war. Beatrice fühlte, dass ein Strom der Sympathie zwischen ihnen hin und her floss.
    Aber meist sprach er über jene Welt der Jungen, voll mit aufregenden, schockierenden Dingen, wie sie Edward damals beschrieben hatte: über sadistische Lehrer und angeberische Raufbolde, über eiskalte Schlafsäle und wie sie anderen Schulmannschaften beim Rugby eine Abreibung verpassten, dass Heimweh verpönt war und der Unterricht langweilig.
    Manchmal unterhielten sie sich auch über die Zukunft, so als ob es nie Krieg geben würde.
    »Ich möchte Arzt werden. Chirurg natürlich. Ich habe Lust, Leute aufzuschneiden und ihr Innereien herumzubewegen, um zu sehen, wie sie arbeiten.« Rafe hatte sich nach hinten gegen eine Sanddüne gelehnt und den Arm zum Schutz vor der Sonne über die Augen gelegt.
    »Das klingt schrecklich blutgierig. Solltest du nicht die Leute heilen?« Beatrice, die neben ihm saß, beobachtete die Sandameisen, die die Krümel von ihrem Picknick forttrugen.
    »Das werde ich wohl müssen. Tante Arlene sagt, dass Mutter schreibt, ich könnte Vaters altem Regiment beitreten, wenn ich Oxford hinter mir habe. Aber wenn ich das tue, müsste ich alle meine Hoffnungen begraben und würde irgendwo in den Kolonien versauern. Nein, ich will hierbleiben.«
    »In Cornwall?«
    »In England jedenfalls. Ich hasse Indien.«
    »Du meinst, du magst deinen Stiefvater nicht.« Beatrice kitzelte ihn mit einem Grashalm im Nacken.
    »Hör auf!« Er stieß den Halm fort, öffnete seine Augen und setzte sich auf.
    »Womit aufhören – über deinen Stiefvater zu reden?«
    »Du weißt, was ich meine.« Er war wütend, wie immer, wenn der aktuelle Ehemann seiner Mutter erwähnt wurde.
    Beatrice dachte, dass alles, was sie über diesen Mann gehört hatte, vollkommen normal klang. Es war die Vorstellung, dass er den Platz seines Vaters einnahm, die Rafe nicht aushalten konnte. Sie erinnerte sich daran, wie sich ihre Eltern angesehen hatten, als Rafes Vater erwähnt worden war.
    »Rafe, was ist mit deinem Vater passiert?«, fragte sie. »Ich meine, wie ist er gestorben?«
    Er schaute in die Ferne, dann auf seine Hände. Schließlich begann er zu sprechen. »Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, aber Gerald sagt, dass ich ihn gefunden habe. Er hat mir mal gesagt, dass die ganze Sache meine Schuld war, weißt du.«
    Sie entdeckte in seinen Augen ein furchtbares Entsetzen, und das machte ihr Angst.
    »Ich weiß nicht, was du meinst«, flüsterte sie.
    »Ich war erst sechs. Ich hab es wohl verdrängt. Wir waren aus Paris zurückgekommen, um den Sommer hier zu verbringen. Gerald hat mir erzählt, dass ich ihn gefunden habe, wie er in der Scheune hing.«
    »Hing?« Sie verstand ihn immer noch nicht. Keiner hatte ihr je von so etwas erzählt.
    »Er hat sich umgebracht, Bea. Der Mann, der für seine Tapferkeit einen Orden bekommen hatte, ist einfach hingegangen und hat so was Feiges getan wie das!« Rafes Stimme überschlug sich vor Zorn. »Gerald sagt, ich hätte ihn früher finden müssen.«
    »Das ist Blödsinn!« Beatrice stand auf. Ihr fiel nichts ein, was sie noch sagen konnte. All das lag jenseits des Horizonts ihres behüteten Lebens.
    Rafe sah, dass sie tief betroffen war. »Los!«, sagte er. »Lass uns schwimmen gehen.«
    Später fiel ihr auf, dass Rafe sie nicht gefragt hatte, was sie mit ihrem Leben anfangen würde. Tatsächlich hatte sie noch nie jemand danach gefragt.
    Ein Wandel lag in der Luft.
    Es musste über die Zukunft entschieden werden. Im August 1938 würde Angie sechzehn werden, im Monat darauf auch Beatrice. Sie würden nur noch dieses eine weitere Jahr

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